Wegwerfaktualitäten

Routine im Leerlauf: Von heute an stehen Kienzle & Hauser wieder eisern auf der Matte und dem ZDF für vier Millionen Zuschauer gerade  ■ Von Christian Meurer

Dreieinviertel Jahre gehen Kienzle und Hauser ihrer eigentümlichen Fron inzwischen nach; Anlaß, einmal tiefere Strukturen ihrer Sendung zu ergründen, haben sie dabei überraschenderweise kaum geboten. Obwohl die es in sich haben. Am leichtesten ist noch das Rollenschema des ewigen Moderatorengeplänkels entschlüsselt – als US-Blaupause nämlich. Bei CNN beispielsweise beharken sich zwei jeweils noch idealtypischere Chargen schon viel länger als „liberal“ vs. „conservative“ im Rahmen amerikanischer Meinungsfreiheit. (Unseren beiden Nachahmungstätern traut nicht einmal die gutmütige Zeit über den Weg und stuft Kienzle nur als „kolportiert linksliberal“, Hauser als „angeblich konservativ“ ein.)

Auch daß das eigentlich eher windige Duo gemeinsam quasi gediegen-altvertraute TV-Charakterköpfe mimt, ist schnell als Bluff durchschaut: Kienzle war den Fernsehzuschauern vordem allenfalls durch „Blaue-Bohnen-in-Beirut“-Berichte für die „Tagesschau“ der siebziger Jahre und diverse „Weltspiegel“-Impressionen noch vage geläufig; der – man soll's nicht glauben! – zehn Jahre jüngere Hauser ist die inzwischen schon dritte Besetzung eines offenbar hausphänotypischen ZDF- Rollenfachs – i.e. versierte Schranze, gewiefter Lobbyist. Wie seine Vorgänger, der schon verewigte „Bilanzen“-Schröder und der noch ziemlich kregle Friedhelm Ost, hat er sich zuvor in allerlei Wirtschaftsmagazinzusammenhängen getummelt und Gewerkschaften beargwöhnt.

Suggestion ist natürlich größtenteils auch der Rest – sei's der unerbittliches Draufhalten vortäuschende Magazin-Titel, seien's die brachialen Schrottpressen-Akkorde, zu denen den einzelnen Berichten zum Schluß das „Frontal“- Gütesiegel reingerammt wird. Denn die reißerische Machart kaschiert in Wahrheit Wahllosigkeit und Routine bis zum Leerlauf – Beiträge der letzten beiden Folgen vor der „Sommerpause“ behandelten nacheinander etwa die Sekte „Universelles Leben“, die Todesstrafe in Rußland, das Sitzverbot in Münchner U-Bahnhöfen, Betrug beim Grünen Punkt, Verdruß mit Reiseveranstaltern, Folterlager für Tschetschenen und rechtsradikale Rockmusik. Alles wird als absolut gleich relevant präsentiert, genauer, von unserem Gespann durchgewunken, denn wie bei den Privatfernsehmagazinen besteht die stillschweigende Übereinkunft mit den ZuschauerInnen, daß sie nach einem Durchlauf nie mehr mit diesen Wegwerfaktualitäten behelligt werden.

Ob's am unbegrenzt strapazierfähigen Konzept liegt oder unsereinem die jahrzehntelange Fernseherei die Wahrnehmung schon so abgehärtet hat – bestünde die Moderation der beiden nur aus Steptanzeinlagen mit Stöckchen und Strohhut, der Gesamteindruck wäre haargenau derselbe. Soweit sind sie noch nicht, vordringlich als Frohnaturen wollen sie gleichwohl begriffen sein. Deshalb gibt's pro Ausgabe Stücker zwei lustige Intermezzi. Im ersten liest der eine dem anderen schräges Agenturmaterial vor, und der tut so, als höre er alles zum ersten Mal. Im zweiten pflaumen sie sich gegenseitig an, d. h. sprechen sich Texte vor, die hauptsächlich ihr Ghostwriterteam um Stephan Reichenberger vorher erdacht hat. Was ihnen sichtlich nicht leicht fällt und deshalb ohne Studiouhr im Hintergrund vorher aufgezeichnet werden muß.

Kienzle ist oft anzumerken, daß er's schon weidlich satt hat, Hauser kontrolliert ihn beim Sprechen ständig aus den Augenwinkeln, dank seines etwas schläfrigen Naturells scheint der Schnauz regelmäßig seinen Einsatz zu verpennen – häufig wird auch die Kienzle- Mimik ausgeblendet, und wir kriegen seine erstarrte Rückfront zu sehen, während Hauser auf ihn einredet – zweifellos noch jenseits an den Haaren herbeigezogenster „Derrick“-Krampfdialoge das Komischste, was das ZDF momentan zu bieten hat.

Wobei die Ladehemmungen nebenbei auf die tieferliegende „Frontal“-Crux verweisen: Daß der ganze Unfug wohl ein zäher Kuhhandel zwischen Quotengeierei und letzten Resten öffentlich- rechtlichem Gremien-Ethos ist, die beiden sich also jede Woche an der Quadratur des Kreises abmühen: Eine privatfernsehähnliche Sensationsrevue hinzukriegen, ohne die Hemmungslosigkeit der Konkurrenz voll mitmachen zu können. So gern wir es sehen würden – die bei den Damen Schrowange, Eligmann & Co. obligate Sex-Reportage wird Freund Hauser wohl auch weiterhin nicht ankündigen. So müssen sie in andere Richtungen expandieren.

Zeitweise wurde ihr Magazin mit greulichen englischen Untertiteln im NBC-Superchannel wiederholt; nachdem ihr Team für sie schon einen „offiziellen deutschen Meinungsführer“ zusammenstellte, haut Hoffmann & Campe jetzt Ende September unter ihrem Namenspatronat auch noch „Schwarz Rot Gold“, einen „offiziellen deutschen Gesellschaftsführer“ heraus, und demnächst sollen sie noch im ZDF PolitikerInnen ins „Kreuzfeuer“ nehmen (laut einer Pressemitteilung geht Hauser eh auf die Jagd). Handys schwenkend, grüßten sie zudem kürzlich von einem Capital-Sonderheft herunter – wer weiß, vielleicht fangen sie auch noch an zu singen.