Eine Schonfrist für Euromuffel

Mindestens sechs Jahre läßt sich der Euro noch ignorieren  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Irgendwann um das Jahr 2002 müssen auch die Kaugummiautomaten umgestellt werden, und da geht das Problem dann schon los. Denn zumindest für ein paar Monate muß die Maschine sowohl die alte Mark als auch den neuen Euro annehmen. Das gilt übrigens auch für Zigarettenautomaten, wenn die Raucher bis dahin nicht sowieso ausgestorben sind.

Die Automatenaufsteller sind am wenigsten glücklich über die Art und Weise, wie die künftige Währung eingeführt werden soll, vor allem natürlich darüber, daß eine Zeitlang zwei Währungen nebeneinander gelten werden. Ihnen wäre es lieber gewesen, wenn es einen Stichtag gegeben hätte, am besten einen Feiertag, an dem die Regierungen den großen Hebel umgelegt hätten. Dann hätten die Zigaretten am letzten Mark-Tag einen Fünfer gekostet und am ersten Euro-Tag einen Dreier, und wir hätten gar nicht gemerkt, daß sie 15 Prozent teurer geworden wären.

Aber das geht schon deshalb nicht, weil uns die Regierungen erst langsam an das neue Geld gewöhnen müssen. Bei der Ostmark war das leicht, das ging 1:1. Aber der Euro ist eine Durchschnittswährung aus Mark, Franc, Gulden und wer sonst noch dabei ist; da kommt eben eine krumme Zahl heraus. Voraussichtlich ab 1999 werden alle Geschäfte ihre Preise zweimal auszeichnen müssen, in Mark und Euro. Nur so, zum Üben, gezahlt wird bis mindestens Ende 2001 in Mark und Pfennig. Erst ab Anfang oder Mitte 2002 werden die neuen Euro-Noten und -Münzen auf den Markt kommen.

Im Gegensatz zur deutschen Währungsunion von 1990 wird die europäische aber keine Auswirkungen auf die Vermögenslage der Beteiligten haben. Arbeiter, Angestellte oder Rentner werden nach der Währungsunion mit ihrem Einkommen genausoviel kaufen können wie vorher. Die Reichen werden diesmal nicht reicher und die Armen nicht ärmer, sie müssen sich nur mit ungewohnten Zahlen herumschlagen. Dafür wird dann das Reisen einfacher, weil man kein Geld mehr umtauschen und keine Wechselgebühr bezahlen muß.

Wann das alles sein wird, steht noch nicht so genau fest. Anfang 1998 setzen sich die Finanzminister und Regierungschefs der 15 EU- Staaten erst einmal zusammen und knobeln aus, welche Länder mitmachen werden. Entscheidend ist, wie tief die Staaten in Schulden stecken, wie hoch das letzte Haushaltsdefizit war und wie niedrig die Zinsen sind. Von Beginn an werden dabeisein: Deutschland, Frankreich, Holland, Belgien, Luxemburg und wahrscheinlich Österreich. Großbritannien wird eine Volksabstimmung machen, bei der sich möglicherweise die Ansicht durchsetzen könnte, daß der Bankenplatz London ohne Euro an Bedeutung verlieren wird. Italien wird die feste Zusage bekommen, zwei Jahre später dabeizusein. Soweit die gesicherte Spekulation aus gewöhnlich gutunterrichteten Kreisen.

Ab 1999 beginnt dann die schrittweise Umstellung. Als erstes werden die Wechselkurse unwiderruflich und für alle Zeiten eingefroren. Danach gibt es zwischen den beteiligten Ländern keine Auf- und Abwertungen mehr. Als nächstes müssen die Regierungen ihre künftigen Schulden in Euro machen. Die großen Banken, die mit Staatsanleihen umgehen, werden dadurch gezwungen sein, sich auf die neue Währung einzustellen. Dadurch, so hoffen die Finanzminister, werden die großen Finanzströme zwischen den Banken, Versicherungsgesellschaften und Großkonzernen zunehmend in Euro und nicht mehr in Mark oder Franc oder Gulden ablaufen.

Wer nicht will, muß sich die nächsten sechs Jahre noch nicht um die neue Währung kümmern. Erst ganz zum Schluß, und das dürfte so um den Juni 2002 sein, wird sich auch der allerletzte Eurobürger überlegen müssen, ob er sein Geld nicht doch besser in Euro umtauscht.