■ Die Personalenge bei den Bündnisgrünen ist hausgemacht
: Bürokratische Verharschung

Ausgerechnet dann, wenn die Grünen sich ihr Führungspersonal aussuchen, geht's bürokratischer zu als in der verstaubtesten deutschen Amtsstube. Da gelten Bestimmungen, nicht Personen und Situationen. Jetzt wird, als Nachfolgerin von Krista Sager, quasibürokratisch Frau, Ost, Reala gesucht, und ein Mandat darf sie auch nicht haben. Solche Regelungsdichte verbaut die Chance, eine Frau – dafür spricht ja wirklich was – zu finden, die die Partei in einer Weise repräsentiert, die öffentlich interessant ist.

Von den alten Zöpfen, die die Grünen heute noch tragen, ist jener von der Unvereinbarkeit von Amt und Mandat der älteste. Er stammt aus der Zeit, als Abgeordnete im „bürgerlichen Parlamentarismus“ nicht nur zu kontrollieren, sondern mit Mißtrauen zu begleiten waren. Heute ist das fähige Personal der Grünen in Mandaten und öffentlichen Ämtern gebunden. Nur wer gezwungenermaßen eine Karrierepause im Parlament oder in der Regierung seines Bundeslandes einlegen mußte, wie Jürgen Trittin und Krista Sager, war bereit, auch mal das Sprecheramt der Bundespartei zu übernehmen. Kennt die Öffentlichkeit jemand aus diesem Bundesvorstand außer diesen beiden (und Heide Rühle)? Offensichtlich professionalisiert man sich woanders als in diesem Hauptquartier der Quotierungen und Unvereinbarkeiten.

Nie hat die Unvereinbarkeitsregel gebracht, was man von ihr erwartete. Partei und Fraktion stehen noch immer unverbunden nebeneinander, von wirksamer Kontrolle der Bundestagsfraktion kann nicht die Rede sein. Die Partei vergibt Einflußmöglichkeiten, wenn sie nicht auch im Parlament mit Leuten ihres Vertrauens präsent ist. Warum wagt man nicht den Versuch, daß bis zu einem Drittel der Vorstandsmitglieder Abgeordnete sein können? Mit Experimentierklausel, nach vier Jahren endgültige Entscheidung im Lichte der gemachten Erfahrungen.

Die Grünen drohen zu verharschen. Gute Abgeordnete sind Leute der Öffentlichkeit, weder Partei- noch Ressortbeamte. Wind der Öffentlichkeit in die Parteizentrale – nirgendwo gilt dies weniger als bei den Grünen. Die politische Geschäftsführerin gehört in den Bundestag, gute SprecherInnen suchen jedes Forum, und auch sonst müßten sich doch Leute finden lassen, die die Chancen des Parlaments für die Partei nutzen. Für eine Partei, die sich vornimmt, politischer und weniger bürokratisch zu werden. Joachim Raschke