Arbeitslosigkeit geht vor Euro

Italienische Wirtschaftsführer stellen Sinn einer schnellen Währungsunion in Frage. Vizeministerpräsident Veltroni schließt sich der Position an  ■ Aus Rom Werner Raith

Pünktlich zur Wiederaufnahme der politischen Tätigkeiten nach der Sommerpause erreicht Italiens Regierung die erste Breitseite. Sie kommt vom wichtigsten Wirtschaftsführer des italienischen Privatkapitals, Cesare Romiti. Der Generalmanager des Fiat-Konzerns sagte am Wochenende in Rimini, man solle die vom Kabinett Prodi an allerallererste Stelle ihrer Arbeit gestellte Rückkehr in die europäische Währungsschlange und den Beitritt zur gemeinsamen Euro-Währung nicht verabsolutieren. Viel wichtiger sei es, „das Problem der Arbeitslosigkeit zu lösen – europaweit“. Die Anspielung auf die seit Jahren laufende Politik rigoroser Sparmaßnahmen aller EU-Staaten war unüberhörbar – Romoti gibt die Schuld an der derzeitigen Rezession, die Italien besonders stark trifft und zu einem immer deutlicheren Produktivitätsverfall führt, den „Austerity“- Politikern.

Flugs setzte sich Vizeministerpräsident Walter Veltroni auf den Karren: Maastricht, so der für seine stark humanitär ausgerichtete Politik bekannte Youngster des Kabinetts, müsse sowieso nachverhandelt werden. Die Parameter würden die Konjunktur in vielen Ländern auf lange Zeit abwürgen und so das Heer der Arbeitslosen vergrößern. „Und dann soll mal einer noch vernünftige Politik ohne Extremismus machen“, so Veltroni. Auch manchem Kommentator fällt derzeit wieder ein, daß bei den Verhandlungen über die Währungsunion der italienische Verhandlungsführer, Finanzminister Guido Carli, vehement die Aufnahme der Arbeitslosenquote in die Parameter der Euro- Aspiranten gefordert hatte – „vergeblich, niemand hörte zu“, so der mittlerweile verstorbene Politiker und Exnotenbankchef in seinen Memoiren.

Zustimmung bekamen Romiti und Veltroni sogleich von vielen Gewerkschaftsführern. Auch die seit jeher maastrichtfeindlichen Neokommunisten zeigten sich erfreut – wenngleich sie Romiti unterstellen, daß der „weniger aus Arbeiterfreundlichkeit so redet, sondern weil er den Absatz seiner Autos in Gefahr sieht, wenn die Lira nicht mehr als Billigwährung gehandelt wird“.

Inzwischen sammeln sich jedoch auch die Maastricht-Anhänger. Der Unternehmerverband Italiens, in dessen Präsidium Romiti sitzt, erklärt Romitis Rede zur „ganz privaten Stellungnahme“, wenngleich ihm viele Funktionäre des Verbands insgeheim recht geben. Wirtschafts-, Finanz- und Außenhandelsminister tadelten ihrerseits Veltroni wegen seiner Äußerungen: „Mit solchen Sprüchen bringt er vier Jahre Sparsamkeit und Sanierung der Staatsfinanzen in Gefahr.“