■ Umweltministerin Merkel und ihr neues Naturschutzgesetz
: Nichts als ein Bauernschutzgesetz

Nach vielen Jahren liegt nun endlich der Entwurf der Bundesregierung für ein neues Naturschutzgesetz vor. Umweltministerin Angela Merkel lobte bei der Vorstellung wie üblich sich selbst und das Werk als Fortschritt für die Ökologie. Das wundert nicht. Doch tatsächlich verdient das Gesetz seinen anspruchsvollen Namen nicht. Denn es schützt die konventionell wirtschaftenden Landwirte weitaus besser als Störche, Unken und Gräser. Und dabei sind gerade die Bauern und die sie beliefernde agrochemische Industrie für das Aussterben vieler Arten in den letzten Jahrzehnten zu einem Großteil verantwortlich.

Als Naturschutz soll künftig gelten, was in der Landwirtschaft „gute fachliche Praxis“ ist. Dieser Begriff steht für den aktuellen Stand der Technik. Bisher mußten die Bauern lediglich „ordnungsgemäß“ wirtschaften – und konnten sich dabei auf die lange, schlechte Familientradition berufen.

Doch der größte Teil der Agrarforschung beschäftigt sich wie eh und je in erster Linie damit, wie der Ertrag pro Hektar und Fleischeinheit gesteigert werden kann. Der Nutzen für die Natur spielt dabei keine Rolle. Nur wo gesetzliche Grenzwerte existieren, wird die Forschung ausdrücklich in diese Richtung gelenkt und vorangetrieben. Aber genau darauf hat die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf verzichtet.

So wird die Novelle in der Landwirtschaftspraxis so gut wie nichts ändern und allenfalls einigen Anachronisten auf Äckern und Feldern das Handwerk legen. Aber die sind größtenteils schon aus wirtschaftlichen Gründen in den letzten Jahren gescheitert. Das Siechtum der durch die Hochleistungslandwirtschaft bedrohten Tier- und Pflanzenarten geht jedenfalls weiter: ein trauriger Befund nach all den Jahren der Diskussion mit Experten.

Umweltministerin Merkel hat einmal mehr gezeigt, daß sich die traditionelle Wirtschaft auf sie verlassen kann. Im Spannungsfeld zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen setzt sie auf freiwillige Selbstverpflichtung. Die Industrie nimmt diese freundliche Geste der Bonner Regierung gerne auf. Sie gibt das als ökologischen Fortschritt aus, was allein schon aus ökonomischen Gründen sinnvoll ist. Annette Jensen