Ein Küßchen für Margarethe S.

Fast wie Kiffen: RTL präsentierte auf einer Pressekonferenz seine Herbst/Winter-Kollektion  ■ Von Reinhard Lüke

Daheim am Bildschirm ist man ja einiges gewohnt, wenn es um aberwitzige Begebenheiten geht. Nun gut, das ist Fernsehen. Das Reale bleibt außen vor, Verwechslungen sind ausgeschlossen. Aber es muß ja auch so was wie eine Realität des Fernsehens geben. Vordergründig jene Orte, wo das Programm gemacht wird, wo das Medium seinen Machern Lohn und Brot verschafft. Doch wer sich dorthin begibt, tritt in eine Welt ein, in der man sich unwillkürlich bekifft fühlt, ohne auch nur einen Zug gemacht zu haben.

So etwa bei jener Veranstaltung, bei der RTL seine Herbst/ Winter-Kollektion 96/97 präsentierte. In der künstlichen Welt eines TV-Studios, fünf Stockwerke unter der Erdoberfläche, betrat ein gewisser Wolfram Kons (der ansonsten morgens um sieben die Nachrichten verlesen darf) die Szenerie und machte treuherzig die bis zur Unkenntlichkeit gutgelaunte Stimmungskanone einer Butterfahrt: „Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Nachmittag bei RTL!“ Vielen Dank auch. Dann deutete Kons alsbald mit den Worten: „Auf dem hat am Sonntag noch Niki Lauda gesessen!“ auf einen schmucklosen Hocker.

Die aparte Dame zu meiner Linken, deren Reversbutton sie als Hausangestellte auswies, zuckte kurz mit der Hand, konnte sich dann aber doch nicht zum Applaus entschließen. Ansonsten wurde bei dieser Werbe- und Verkaufsveranstaltung durchaus viel geklatscht. Selbst ohne animierende Pappen. Schließlich hatte „RTL- Geschäftsführer Professor Doktor Helmut Thoma“ (Kons) bei seinem Einmarsch demonstrativ seine künftige Mitarbeiterin Margarethe Schreinemakers geküßt. Nicht Zunge, nicht Mund, sondern nur links-rechts. Aber immerhin. Welch entzücktes Aufblitzen unzähliger Fotoapparate, die eben noch in Scharen Iris Berben gehuldigt hatten!

Drauf Prof. Dr. Thomas Rede in Sachen Fakten: Marktführer bleiben, demnächst die Schallmauer von zwanzig Prozent Marktanteil ankratzen, unlängst für gut zwei Milliarden Mark prima Deal mit MCA abgeschlossen und 1,1 Milliarden in Eigen- und Auftragsproduktionen investiert. Vorzugsweise für Fiction-Formate wie Serien und TV-Movies. Worunter vermutlich das eine oder andere durchaus erheiternd ist, vielleicht die Zeltplatz-Serie „Die Camper“ oder „Bruder Esel“ mit Dieter Pfaff. Weniger womöglich Christoph Waltz in „Du bist nicht allein“, der Verfilmung der Lebensgeschichte von Roy Black.

Als man später daheim die Wuntertüte auspackte, die einem beim Verlassen des Events freundlichst überreicht worden war, fand sich darin auch eine CD, auf der alles soeben Gesagte trefflich dokumentiert war. Schumi: „Die Formel1 ist ist ja in den letzten Jahren unheimlich intensiv geworden...“ Das ist doch der Weg! Im nächsten Jahr das Ganze auf CD-ROM und danach nur noch im Internet. Dann könnte sich unsereins endlich wieder mit der Illusion auf die Couch zurückziehen, daß auch hinter den Kulissen alles echt ist.