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Zwischen den RillenVerwische die Spuren!

■ Muckeln tapfer vor sich hin: Olympic Death Squad und Phil Krauth

Das Lied vom Tod ist der der guten, alten Indie-Musik schon öfters gespielt worden. Still ist es um sie geworden, seitdem sich „independent“ als nicht massenkompatibel herausstellte und folglich auch das Medieninteresse merklich abkühlte. Die Aufmerksamkeit ist ungefähr auf den Stand der Dinge von 1986 zurückgefallen, insbesondere was die Staaten anbetrifft. Bands, Musiker und Alben gibt's zwar weiterhin in unüberschaubarem Ausmaß, doch live müssen die Musiker sich, wie neulich im Berliner Huxley's geschehen, vor zwei zahlenden Zuschauern, vier Journalisten und Kollegen präsentieren.

In diesem weiten, unbeobachteten Geläuf nun differenzieren sich die Bands ästhetisch weiter aus, postrocken oder muckeln einfach vor sich hin: Wo früher eine gewisse Eintracht herrschte im Sinne von schrummschrumm und schräg, beschränkt diese sich mittlerweile darauf, daß man sich einen Kehricht um das schert, was die Jugend vermeintlich aktuell bewegt. Wühlen heißt es da, suchen, finden und entdecken.

Und sich freuen. Zum Beispiel über Mark Robinson, der schon weit über ein Jahrzehnt immer haarscharf an allen Trends vorbeimusiziert. Robinson ist Labelchef von Teenbeat, spielt gern auch mal allein Alben für sein Label ein oder gründet mit immer denselben Leuten Gruppen wie Grenadine, Unrest, Air Miami: Spuren legen, um sie gleich wieder zu verwischen. Dies scheint bei ihm Anspruch wie oberstes Diktat zu sein. So löste er Unrest auf, als die an der Schwelle zum (Indie-)Pop-Stardom standen, und nannte die bis auf den Drummer gleiche Band Air Miami, um ein kurzes und eingängiges Al Versonnen, aber unpeinlich: Phil KrauthFoto: Cover

bum mit dem bezeichnenden Titel „Me, Me, Me“ einzuspielen. Bloß kein „eingeführtes Produkt“ werden, die simpelste Identifikation, die über den Namen, verweigern.

So etwas ist ja gang und gäbe in elektronischen Musikbereichen, wo es insbesondere auch diversen experimentellen Spielereien dient. Bei Robinson wirkt sich diese Strategie jedoch mit zunehmendem Alter nicht mehr auf den Sound aus. Jedenfalls klingt „Blue“, das Teenbeat-200-Jubiläums-Album, das er jetzt unter dem Namen Olympic Death Squad herausgebracht hat, wie das übriggebliebene Material, das nicht auf „Me, Me, Me“ erscheinen konnte oder sollte: Was jedoch der Güte der Liedchen überhaupt keinen Abbruch tut.

Wo Robinson früher mit Hardcore-Elementen manche Erträglichkeitsgrenze überschritt, später öfters auch ambientöse Monotonie walten ließ, wirkt er mittlerweile wie der ultimative Old-School-Brite in Amerika von Athens bis Seattle: Er ist derjenige, der unwidersprochen die Erinnerung an britische Frühachtziger-Labels wie Postcard oder Factory aufrechterhält. Auf „Blue“ sind Songs, die sich durch Kleinheit, durch Schnelligkeit und wilde Schönheit auszeichnen; Songs, die oft hell klingen, in ihrer Songstruktur erlebbar sind, oft aber auch nur um ihre Angedeutetheit kreisen. Manchmal schaut der Wimp um die Ecke, der passionierte Introvertierte; dann wieder der schlaue Teenage- Punk. Seine Songs nennt Robinson lieber strahlend und gar nicht bedeutungsschwanger „Ski Jump“, „Shortsleeve“ oder „Yeah.Uh.Huh“.

Daß Schlagzeuger empfindsame Menschen sind, weiß man ja schon länger, spätestens seit Epic Soundtracks zum einsam sinnierenden Stilisten mit Ewigkeitswert mutierte. Phil Krauth nun war früher der Drummer bei Unrest und hat dieser Tage bei Robinsons Teenbeat-Label sein zweites Soloalbum veröffentlicht. (Ist übrigens schon die Teenbeat- Platte Nr. 205, die vier anderen Platten gibt es, wie es scheint, wohl nur in den Staaten.) Versonnen und unausweichlich schaut er vom schmucklosen Portrait-Cover auf uns herab, und man ahnt es gleich: Krauth entpuppt sich auf „Silver Eyes“ als Sänger und Songschreiber, als einer, der sehr zurückhaltende, sehr stille Musik zu arrangieren weiß. Hier glaubt einer wirklich noch an Worte und Songs, daran, daß man das Leiden an und in der Welt noch buchstabieren kann: um besser Halt zu finden und sich nicht gänzlich in Zeit und Raum zu verlieren. Phil Krauth ist ein richtiger Trostspender. Er traut sich selbst, einen Song „Lonely“ zu nennen, „alone for so long time“ zu texten oder, in Verbindung mit derselben unbewältigten Liebe, „I know nothing at all“.

Klingt trotzdem unpeinlich, da Krauth ohne große Geste auskommt und entspannt und sachte die Gitarren zupft. Selbst die elektronischen Figuren, die aus dem Hintergrund flöten und blubbern, verbreiten nur ein Mindestmaß an Schmalz und Kitsch. „True believer, yesterday ‘s gone and you live on“, heißt eine andere Zeile auf „Silver Eyes“, und die kann man stellvertretend für den gesamten Indie-Pop verwenden. Gerrit Bartels

Olympic Death Squad: „Blue“

Phil Krauth: „Silver Eyes“

(beide Teenbeat/Matador/Rough Trade)

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