Verharmlosung des Rechtsextremismus?

■ betr.: „Seriöses Urteil, dubiose Grundlage“, taz vom 23.8. 96

[...] Der Autor beklagt, daß Gary Lauck nicht für das, was er „tat“, sondern für das, was er „sagte“, verurteilt worden sei. Die Grundlage, auf der das Urteil gesprochen wurde, der Verstoß gegen die Strafparagraphen, die verfassungswidrige Propaganda, Volksverhetzung und sog. „Auschwitzlüge“ betreffend, werden von ihm als „Meinungsdelikte“ abgetan. Diese Paragraphen würden „vor allem die Freiheit der politischen Auseinandersetzung bedrohen“. Gleich im nächsten Satz wird deutlich, wie dieser vom Autor in Teilen richtig konstatierte Sachverhalt zu verstehen ist: „Bestrafte man Lauck nicht fürs Hantieren mit Hakenkreuz, sondern für den Import von Hammer und Sichel, seine heutigen Gegner sprächen ohne Umschweife von Zensur.“

Hier wird, allein durch die Herstellung des begrifflichen Zusammenhangs, nicht nur in geradezu unerträglicher, geschichtsrevisionistischer beziehungsweise – relativistischer Art und Weise Nationalsozialismus mit Kommunismus gleichgesetzt, sondern zudem noch der sich, so der Wunsch der Autoren, hinter einem pseudodemokratischen Mantel versteckenden, rechtsextremistischen und damit menschenverachtenden Propaganda das Wort geredet.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ heißt es in Artikel 1 Grundgesetz. Ein menschenrechtlicher Grundansatz, der von einem Herrn Lauck und seinen Gefolgsleuten immer wieder auf das eklatanteste verletzt wird, aber offensichtlich gibt es für den Autor hier Diskussionsbedarf. Ausgerechnet unter Verweis auf die USA fordert der Autor uns dazu auf, über das „Rechtsgefälle“ zwischen dem amerikanischen „freedom of speech“ und der hierzulande in bezug auf rechtsextremistisches Gedankengut nicht verwirklichten „Meinungsfreiheit“ nachzudenken. Schließlich sei das „Geschwafel“ des Herrn Lauck in den USA nicht strafbar. Dies belege ein „radikal anderes Verständnis der Bürgerrechte“ (in den USA, die Verf.). Ich denke an die Ursachen der sog. „Rassenunruhen“ in Los Angeles.

Überhaupt sei Lauck ein „unzurechnungsfähiger Wirrkopf, der nicht gefährlich, sondern nervtötend ist. Das ,Zellensystem‘ seiner ,Untergrundkämpfer im Reichsgebiet‘ existiert nicht“, heißt es weiter. Damit leugnet Meier, was selbst eine so konservative und z.T. in den eigenen Reihen mit selbigem Gedankengut durchsetzte Institution wie der deutsche Verfassungsschutz nicht mehr zu leugnen wagt, nämlich den hohen und äußerst straffen Organisationsgrad von Rechtsextremisten und Neofaschisten.

Im selben Atemzug konstatiert der Autor, daß „das Gericht, wie es eingestand, keinen einzigen Fall belegen konnte, wo Haßpropaganda in konkrete Taten umschlug“. Von sog. „geistiger Brandstiftung“ folglich keine Spur, weil eben nicht juristisch nachweisbar.

Auch Adolf Hitler wurde oft als „Wirrkopf“ bezeichnet, der jedoch mit Pamphleten wie „Mein Kampf“ dem späteren Völkermord, an dessen Ende mehr als 50 Millionen Tote zu beklagen waren, den geistigen Nährboden schuf. Gary Lauck und seinesgleichen bedienen sich derselben Diktion. Schon werden in diesem Land Menschen mit anderer Hautfarbe und Nationalität wieder die Dächer über dem Kopf angezündet, aber dies ist bis auf den konkreten physischen Akt, eben nicht justitiabel, weil nicht nachweisbar, so der Autor. Es darf also weiterhin alles gesagt werden. Silke Barra, Hamburg