■ Querspalte
: Gipfel des Grauens

Guten Tag, mein Name ist Ulrich Greiner. Ich bin eine wichtige Stimme in der deutschen Presselandschaft, auch bin ich kommissarischer Vorgänger von Sigrid Löffler bei der Zeit. In dieser Woche hat hier mein Kollege Joachim Fritz-Vannahme den belgischen Kinderpornoskandal kommentiert, „Gier bis zum Kindesmord“, auf Seite eins. Für das Ressort „Wissen“, Seite 33, beschäftigte sich mein Kollege Hans Schuh mit der Frage „Was tun mit den Tätern?“. Jochen Paulus, noch ein Kollege, schrieb für die Seite 34 eine Abhandlung mit dem Titel „Stinknormale Männer“. Daß drei Artikel zu einem Thema quasi jeden Aspekt abdecken, versteht sich von selbst. Aber ich bin Ulrich Greiner, und ich habe den vierten Kinderpornotext in der Zeit untergebracht. Im Feuilleton, wohin die Geschichte ja eigentlich auch gehört. Um ein völlig neues Licht auf Brutalität und Mord zu werfen, habe ich mir ein hochintelligentes Plädoyer ausgedacht. Ich fordere nämlich die Abrüstung der visuellen Gewalt. Wußten Sie, daß Fernsehen, Video und Werbung permanent gewalttätige Bilder zeigen? Ich war empört, als ich das bei meinen Recherchen feststellte. Ich entschied mich, diesen Umstand anzuprangern und einen Ausweg aufzuzeigen, einen Weg, der mir aufging, als ich in den Werken des amerikanischen Soziologen Richard Sennet nach beeindruckenden Zitaten für meine große Abrechnung mit der Gehirnverschmutzung suchte. Gehen Sie nicht weg, legen Sie nicht auf, hier kommt schon mein überzeugender Plan: Wir brauchen eine Bürgerinitiative der Vernunft, eine ökologische Idee für unsere Innenwelt, wir müssen einen Bilderpazifismus begründen. Dies schrieb ich, Ulrich Greiner, auf der Seite 48 im Zeit-Feuilleton. Damit wollte ich sagen: Wir müssen diese dreckige Welt sauber machen, eine „Soko TV“ bei Greenpeace installieren! Gewaltvideos zu Pflugscharen, Benetton- Werbung zu Hufeisen, Krimis zu Haarnadeln! Und das hätte ich auch getan, wenn man mir auf der Seite 48 im Zeit-Feuilleton mehr Platz gelassen hätte. Oder auf der Seite eins. Carola Rönneburg