: Krise der „Drückeberger“
■ Vom Pazifismus zum Volunteering: Sozialer Friedensdienst wird 25 Jahre alt / Sinnkrise überleben?
Zum 25. Geburtstag gab es ein Damoklesschwert. Nämliches hängt derzeit über allen Organisationen, die sich entweder für die Belange von Soldaten oder von Zivildienstleistenden einsetzen. Wie lange gibt es die Wehrpflicht noch? Die bange Frage stand im Raum, als am letzten Freitag der Soziale Friedensdienst Bremen e.V. (SFD) im Dammweg seinen Geburtstag beging.
Der SFD wurde 1971 als Reflex auf eine Bonner Politik gegründet, die wegen hoher Verweigererquoten Restriktives beschloß: Eine Dienststelle sollte nur noch sein, in der mindestens fünf „Ersatzdienstleistende“ unterkamen. Und außerdem sollten die damals gern als „Drückeberger“ Beschimpften kaserniert werden. Es galt, den Zivildienst unbequemer zu gestalten. Der SFD als Kind von fünf Bremer Kirchengemeinden wollte da-
gegenhalten. Er wurde selbst Zivi-Einrichtung und umging so die Fünferregelung.
Reich an Zahl und an Jahren (fast alle über 45) war die Gratulantenschar am Freitag. Zivis der ersten Stunde kamen, natürlich der prominenteste Zivi Bremens, Henning Scherf (in einem fast jägergrünen Jackett), aber auch eine Reihe von Zivi-Verteidigern, zu denen sich einstmals der SPD-Bundestagsabgeordnete Volker Kröning zählte (gedient). Blumen gab es für Pastor Fink, ein Vierteljahrhundert lang zentrale Figur im Verein.
Feuer unterm Geburtstagskuchen versuchte Pastor Louis Ferdinand von Zobeltitz („Liebe Brüder und Schwestern!“) zu machen. Denn der findet, daß der Friedensdienst einst als „pazifistisches Alternativmodell gegründet“ und heute „Establishment“ sei. Verweigerung bedeute heute nicht mehr, sich mit gewaltfreien Modellen auseinanderzusetzen: „Die tiefe friedensethische Verantwortung fehlt ein Stück weit.“ Der Zivi von heute müsse sich nicht mehr rechtfertigen. Müsse man jetzt, da der Russe nicht mehr der Feind sei, etwa nicht mehr über Frieden nachdenken? Ein reichlich nostalgischer Einwand. Insgeheim bereitet sich der SFD seit Jahren darauf vor, Aufgaben jenseits der traditionellen Zivi-Betreuung zu finden. Mit der Wehrpflicht untergehen? Das wäre doch Unsinn, gibt Detlef Luthe vom SFD zu bedenken, „bei dem Know-how im Umgang mit jungen Leuten.“
Ein zweites Bein des SFD ist heute die Organisation des „Freiwilligen sozialen Jahres“. Die neueste Idee ist die „Freiwilligen-Agentur Bremen“; ihr Ziel ist es, für Freiwillige attraktive Betätigungsfelder aufzutun. Unter dem Motto „Ohne Geld - aber nicht umsonst“ bietet die Agentur jungen Leuten an, zum Beispiel in einem „Café Welt“ im Überseemuseum zwei Monate lang über fairen Kaffeehandel zu informieren, im Theater als Souffleur/Souffleuse zu arbeiten, den Hallensprecher der Handballer des SV Werder zu machen, an einem Filmprojekt des NABU mitzuwirken usf. Durchweg nicht unattraktive Angebote, die einen auf Ideen bringen können. „Volunteering“ als aufgepepptes Ehrenamt in einer Zeit ohne Jobs, aber mit viel Arbeit.
Neue Betätigungsfelder suchen? Sinnkrise überleben? In diesen Punkten können junge Arbeitslose von der 25 Jahre alten Institution SFD nur lernen. . BuS
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