Kirchs Instrumente

Um Bertelsmann zur Einigung zu zwingen, führt der Mogul bei premiere seine Druckmittel vor  ■ Von Lutz Meier

Manchmal kann der Einstieg ins virtuelle Zeitalter reichlich verwirrend sein. So wie in Halle 6 der Unterhaltungsmesse CeBit-Home am Stand der „Multimedia-Betriebsgesellschaft“ (MMBG). Die MMBG, jene Gesellschaft also, die einst Bertelsmann, die Telekom sowie RTL, ARD und ZDF aus der Taufe hoben, um Leo Kirch beim Digital-TV Paroli zu bieten, hat nämlich 850 Messequadratmeter, aber nichts zu zeigen. So geht Virtualisierung den umgekehrten Weg: Tänzer, Gesangsdarbietungen und eingeflogene Boxer simulieren viele schöne TV-Programme. Die aber fehlen der MMBG-Plattform.

Außer ClubRTL, dem zerzausten Rest des ursprünglich als Konkurrenz zu Kirchs DF1 geplanten Bertelsmann-Angebotes, ist kein Pay-Angebot für die „Mediabox“, den Decoder der MMBG, in Sicht. „Wir warten noch auf Programme“, sagt der Sprecher der Gesellschaft. MMBG-Partner Canal+, verbreitet Kirchs Digital-TV- Chef Gottfried Zmeck unterdessen, werde sein Angebot bei DF11 zeigen. Und von ClubRTL gibt es bislang nur einen Prospekt mit schönen Designs der elf Sparten- und vier Abrufprogramme. Unter der Marke „Superfernsehen“ will die MMBG dennoch irgendwann im Herbst mit ClubRTL starten. Zum Dumpingpreis. Weil Kirch seine Filmrechte erst in drei Jahren nutzen kann, und seine störanfällige d-box für 900 Mark verkauft, macht man sich Mut, ihm mit Decodermieten unter 20 Mark und Abogebühren um zehn Mark stören zu können.

Doch bleibt die MMBG einstweilen eine Hülle ohne Wert, seit Bertelsmann Ende Juli mit Kirch vereinbarte, nicht nur bei der technischen Plattform der Decoder zusammenzuarbeiten, sondern, zu Lasten der MMBG, auch beim Programmvertrieb – zu Kirchs Bedingungen: ClubRTL, hieß es, soll über DF1 verbreitet werden, ebenso der Abosender premiere.

Entscheidend sind die Verhandlungen beider. Und die stocken (taz vom Samstag). So nutzte Kirch die Messe, um gegenüber Bertelsmann die Instrumente auszupacken: Auf dem DF-1-Stand kündigt ein Fritz-Egner-Verschnitt einen Hit an: „Forrest Gump“ auf DF1. Den Film, den der Abosender premiere im September zeigen wollte, „exklusiv“.

Premiere ist Objekt der Verhandlungen, wie das der Begierde beider Seiten. Denn premiere hat, was auch Kirch fehlt: Abonnenten, 1,2 Millionen. Die ursprünglichen Pläne der Gütersloher, denen zusammen mit ihrem nun abtrünnig gewordenen Partner Canal+ 75 Prozent von premiere gehören, den Sender zum Kern des MMBG- Angebots zu machen, scheiterten – an Kirch. Dem gehört das restliche Viertel und außerdem besorgt sein Mann die Filme. So willigten die Bertelsmänner ein, Kirchs Partner Rupert Murdoch in den Gesellschafterkreis aufzunehmen, deren Mitglieder sich dann mit je 25 Prozent bescheiden.

Bertelsmann könnte die investierten Millionen zurückbekommen, doch Kirch hätte mehr: premiere – und dessen Abonennten – bei DF1. Letztere braucht er in drei Jahren, heißt es, denn beim Abschluß seiner Deals in Hollywood (siehe nebenstehenden Bericht) garantierte Kirch den Majors Zuschauerzahlen oberhalb der Millionengrenze, DF1 liegt derzeit bei 3.500 Zuschauern. Sagt Zmeck. Andere streichen eine Null.

„Ab heute weiß jeder:“ so Zmeck am Donnerstag auf einem Podium am Rande der Messe, „Wer premiere abonniert, hat das Programm nicht mehr exklusiv.“ Am Freitag schleppten DF-1- Leute eine einstweilige Verfügung nach der anderen bei premiere an und ließen dem Paysender das „exklusiv“ verbieten. Prompt schickte premiere seine Anwälte gegen DF1 los.

Kirch spielt Bertelsmann vor, wie er premiere totblockieren könnte, wenn die Verhandlungen scheitern. Denn Bertelsmann spielt auf Zeit, während Kirch zunehmend drängt. Doch vorderhand spielen beide Theater: Einigen wird man sich sowieso. Doch „premiere ist in der bisherigen Form ein Auslaufmodell“, glaubt der Berliner Medienwächter Hans Hege. „Das ist natürlich die Tragik Bertelsmanns.“

Und die der Medienkontrolle. Eine gemeinsame Gesellschaft der Duopolisten, so Hege, hätte man in der Frühzeit nie genehmigen dürfen: „Es gibt heute überall in Europa Monopole, und es wird keinen Wettbewerb im Programm geben.“