Einzelfallprüfung light für bosnische Asylsuchende

■ Neue Anordnung im Flüchtlings-Bundesamt: Ab heute täglich sechs Anhörungen

Bosnische Asylsuchende können sich in der Bundesrepublik auf ein amtlich abgesegnetes Schnellverfahren verlassen. Wie aus einem internen Schreiben des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) vom 26. Juli 1996 hervorgeht, geht die Verfahrensleitung des Amtes davon aus, „daß ein EE [Einzelentscheider] täglich mindestens sechs Anhörungen durchführen kann“, wenn ab 2. September Bosnier zur Asylanhörung geladen werden. Der Schnitt in anderen Asylverfahren liegt laut Auskunft des Präsidenten des Nürnberger Bundesamtes, Hans Georg Dusch, in einem Schreiben vom 1. Februar 1996 bei etwa 44 im Monat, also etwa zwei Antragstellern am Tag.

Der Vizepräsident des Flüchtlingsamtes, Wolfgang Weickhardt, bestätigte die Information gegenüber der taz und bezeichnete sie als Vorgabe an alle Außenstellen. Aber um Mißverständnisse auszuschließen, weist Weickhardt darauf hin, daß ja schließlich nicht immer alle geladenen Antragsteller erschienen. „Außerdem muß man ja bei Bosniern die Situation nicht in aller Breite erörtern.“ Entschieden werden die Fälle allerdings nicht sofort; noch gilt ein Entscheidungsstopp für bosnische Flüchtlinge. Jetzt sollen zunächst alle Vorbereitungen getroffen werden.

Etwa 29.000 sogenannnte Altfälle lagerten noch im Frühjahr in den Aktenschränken des BAFl. Ein Viertel davon hat den Antrag – als Reaktion auf ein Anschreiben des Flüchtlings-Bundesamtes – inzwischen zurückgezogen. Das Nürnberger Amt rechnet damit, daß der Stopp kurzfristig aufgehoben wird. Und die politische Vorgabe ist klar: Die bosnischen Kriegsflüchtlinge sollen noch dieses Jahr zurück, Asylantrag hin, Duldung her. „Man will auf Teufel komm raus die Verfahren durchziehen, man geht dabei über Leichen“, schildert ein Mitarbeiter einer Außenstelle des Amtes die Zustände. Anhörer, die die Aktion nicht mitmachen wollen, so der Mitarbeiter, der aus Angst anonym bleiben möchte, werden mit der Versetzung bedroht.

Das Amt von Hans Georg Dusch stellt seinen Mitarbeitern keine Schulung über die verzwickte Situation in Bosnien zur Verfügung. „Wir gehen davon aus, daß für die Anhörungen keine spezielle Einarbeitung auf EE-Seite nötig sind“, heißt es in besagtem Schreiben des Bundesamtes vom 26. Juli. Die Anhörer sind da anderer Meinung. Einer von ihnen, der in einer westdeutschen Außenstelle arbeitet und ebenfalls anonym bleiben will, befürchtet, daß er „unter solchen Bedingungen nicht sachgerecht ermitteln kann. Und dann fällt leicht eine falsche Entscheidung.“ Geschult werden nur alle Außenstellenleiter sowie ausgewähltes Personal der Zentrale: Peter Ellgaard, Leiter des Bonner ZDF-Studios, erzählt in zwei Seminaren alles über den Umgang mit den Medien.

Für Einzelfallprüfungen bleibt da kaum noch Zeit, es sei denn, die Anhörer weigerten sich, der Vorgabe zu folgen, und entschlössen sich statt dessen, persönliche Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Das Flüchtlingsamt schlägt dabei gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, so der Nürnberger ÖTV-Geschäftsführer Peter Löser: „Einerseits kann der Druck auf die Beschäftigten, deren Arbeitsplätze sowieso verringert werden sollen, erhöht werden. Andererseits gibt es keine sorgfältigen Verfahren, und die Altfälle werden schnell abgebaut.“ Barbara Junge