Der kleine Traum vom großen Geld

■ Im Berliner Opernpalais kämpften Monopoly-Profis um den Meistertitel

„Eigentlich bin ich ein sehr gütiger Mensch“, meint Klaus Armbruster. „Aber bei dem Spiel, da gibt's keine Gnade, auch nicht für Kinder, da wird knallhart durchgezogen.“ Der 39jährige schüttelt entschlossen den Kopf. Dann greift er sich ein Bündel 10.000er und sortiert die Geldscheine blitzschnell in die große Schachtel. Rechtwinklig und in Dreierreihen hat der Malermeister aus Worms ein ganzes Bataillon von grünen Häuschen vor sich auf dem Tisch aufgebaut. Diesmal spielt er nur den Schiedsrichter bei den Deutschen Monopoly-Meisterschaften. Denn schon in der Regionalrunde schied der dreimalige Deutsche Meister und ehemalige Vizeweltmeister „unglücklich“ aus.

Eingeladen wurde für die Meisterschaft am Wochenende ins Berliner Opernpalais, ein stuckbeladenes Nobelcafé Unter den Linden, wo an barocken Spiegeldecken falschgoldene Lüster hängen und chinesische Damen von altrosa Tapeten lächeln. Im „Salon Auguste“ finden sich ganze Pyramidenstapel von Monopolyspielen. Neben das Tischchen mit dem silbernen Lorbeerpokal wurden die Spieler plaziert. Viermal vier deutsche Regionalsieger sitzen hier in schwüler Hitze: manche von ihnen mit Oberlippenbärtchen, blaß die meisten, sehr ernsthaft alle. Akkurate Scheitel sind hier angesagt und weiße Oberhemden. Über der Brust tragen die SpielerInnen eine breite rote Schärpe, die jeder Burschenschaft zur Ehre gereichen würde.

Worum es geht, bringt Ulrich Ingelfinger, seines Zeichens „Group Product Manager“ eines Spielekonzerns, auf den Punkt: „Das ist Kapitalismus pur.“ Vom „Kampf um den Sieg“ spricht er dann, über den „Traum vom großen Geld in Zeiten der Arbeitslosigkeit“ und vom „Auf und Ab des Lebens“. Ein Stückchen eigene Lebensphilosophie präsentiert er auch: Immerhin mache es doch enormen Spaß, „zu raffen und seinen besten Freund zu ruinieren, ohne ihm etwas zu tun“.

Das Brettspiel Monopoly, das ein amerikanischer Heizungsinstallateur vor über sechzig Jahren aus Pappkartons und Holz bastelte, sei bis heute das „Flaggschiff der Familienspiele“. Den Erfolg erklärt sich Ingelfinger aufgrund der „vielen Emotionen, die da drinhängen“. Und natürlich aufgrund der politischen Botschaft: „Einer hat alles, die andern haben nichts, das ist doch eine ganz tolle Dritte-Welt-Interpretation.“

Während Ingelfinger noch sinniert, bahnt sich an Tisch vier ein menschliches Drama ab. Reiner Sietas, 37jähriger Bankangestellter aus Hornburg, ringt um seinen Titel. Letztes Jahr war er Meister, in diesem Jahr landet er auf der Parkstraße, als Mieter. Drei Häuser hat Martina Piewitt hier gebaut, das macht 28.000 Mark Miete. „Hab' ich nicht“, murmelt der Profi und bietet ihr ein paar Bahnhöfe und die Chausseestraße an. Die 16jährige Gymnasiastin vom Monopolyclub in Lübbecke bei Minden weist ihn kühl zurück: „Reicht nicht!“ Sietas kommt ins Schwitzen. Dann hilft ihm die Bank mit einer Hypothek. Er ist noch einmal davongekommen. Vorläufig.

„Das ist wie eine doppelte Lungenentzündung“, weiß Schiedsrichter Klaus Armbruster, „einmal Parkstraße oder Schloßallee, und du kommst nie wieder hoch.“ Aufs Würfelglück allein, meint er, sollte man sich beim Monopoly ohnehin nie verlassen. Strategie ist gefragt und natürlich Kohle: „Am besten die kleinen, unbeliebten Straßen aufkaufen und gleich bauen. Das ist alles eine Frage der Rendite.“ Bloß nicht das begrenzte Häuserkontingent bei der Bank aus den Augen verlieren, heißt seine Devise. Und Finger weg von teuren Hotelkäufen: „Ab Opernplatz nur noch Häuser!“

An Tisch vier ist inzwischen Streit ausgebrochen: „Det jeht nit!“ regt sich Christian Zender aus Daun in der Eifel auf. Und dann geht alles plötzlich ganz schnell. Exmeister Sietas, dessen Schärpe schon arg verrutscht ist, landet zum zweitenmal auf der Parkstraße. Christian Zender kauft ihm alles ab, der erste Konkurs ist angemeldet. Minuten später hat es auch Zender erwischt, er ist selbst bankrott und scheidet aus. Sein Vater steht ihm in dieser Krise zur Seite, der weiß: „Das nimmt ihn ziemlich mit.“

Mit 195.480 Pappmark rauscht Martina Piewitt dann durchs Ziel. „Glückssache“ meint die 16jährige, noch etwas geschockt davon, daß sie eben den Deutschen Monopoly-König besiegt hat. „Die anderen mal allezumachen, macht schon Spaß“, meint sie frech. In der letzten Runde scheidet die Gymnasiastin dann doch noch aus. „Schade, aber was soll's?“ meint sie nur lapidar. Gewonnen hat dafür ihr Bruder Thomas Piewitt. Dem 20jährigen winkt im September ein Flug nach Monte Carlo. Zur Weltmeisterschaft. Und die bringt ihm vielleicht sogar echtes Geld – zumindest wenn er siegt. Constanze von Bullion