: Rentner-Saga, durchaus charmant
■ Comedy mit altem Ekel (Alfred): „Mit einem Bein im Grab“, 22.05 Uhr, ARD
Wer's ja auch nicht leicht hat, das sind diese Schauspieler. Da steht Heinz Schubert jahrzehntelang auf den ruhmreichsten deutschen Bühnen und bleibt fürs Volk doch immer nur die eine Knallcharge, die er vor 20 Jahren mal im Fernsehen gespielt hat. Und nun macht er eine neue Reihe im Fernsehen und läßt im Vorfeld keine Gelegenheit aus, die schreibende Zunft aufs eindringlichste zu bitten, seinen Namen nicht wieder mit jenem ekligen Zusatz zu versehen (s.o.). Recht hat er.
Doch tut uns leid, Herr Schubert, aber wir müssen auch an unsere spätgeborenen LeserInnen denken: Der „Typ“ hieß Alfred Tetzlaff, im Volksmund kurz „Ekel Alfred“, und wurde als Bilderbuchprol in der Comedy-Serie „Ein Herz und eine Seele“ zum Fernsehmythos. In „Mit einem Bein im Grab“ spielt Heinz Schubert nun Viktor Bölkoff. Auch kein Typ, den man spontan zum Bier einladen würde. Pförtner aus Passion, aber seit kurzem im vorzeitigen Ruhestand, da seinen Job jetzt ein Computer macht. So sitzt der Mann in seinem Reihenhaus und blickt nach dem Frühstück auf die Uhr. Aber da sich Viktor noch längst nicht zum Alteisen gehörig fühlt, ist er für Vortragsabende der örtlichen Senioreninitiative („Krampfadern – was tun?“) oder sonstige wohlgemeinte Beschäftigungstherapien nicht zu haben. Lieber fällt er seiner Gattin Margret (Brigitte Böttrich) auf den Wecker, erregt sich schon über die wundersame Müllvermehrung in seinem Vorgarten oder paßt auf, wohin Nachbars blöder Köter seine Häufchen macht. Wie schon „Ein Herz und eine Seele“ ist auch „Mit einem Bein im Grab“ die Adaption einer britischen Erfolgsserie der BBC. Womit es sich aber auch schon hat mit den Ähnlichkeiten. Anders als Alfred ist Viktor der Selbstzweifel durchaus nicht fremd, und gelegentlich muß man ihm gar so was wie Charme attestieren. Überhaupt ist der Humor hier zwar oft ein schwarzer, aber durchweg ein eher leiser. Zwerchfellgymnastik ausgeschlossen. Kein Brüller daheim im Fernsehsessel, aber, gottlob, auch keine eingeschnittenen vom Band. Trotz gelegentlicher Ausflüge ins Reich der Klamotte bleibt das Ganze eher Tragikomödie, die vor allem von ihren famosen Darstellern lebt. Neben dem virtuosen Minimalisten Schubert gibt Brigitte Böttrich die geduldige Liebende mit viel Sinn für feine Nuancen und Irm Hermann ihre wunderbar überkandidelte Freundin Lisbeth, die ständig bei Bölkhoffs daheim rumhängt.
Unterm Strich ist „Mit einem Bein im Grab“ gutes Handwerk, wenn auch gewiß nicht die Neuerfindung der Komödie. Aber angesichts all dieser unbändig flotten Teenager-Comedies amerikanischer Provenienz ist diese Rentner-Saga fraglos ein Lichtblick. Fernsehgeschichte wird die Serie kaum schreiben. Die Zeiten sind halt nicht mehr die alten. Damals brauchte Tetzlaff nur mal laut „Scheiße“ zu brüllen, und schon hielt die CSU eine Kleine Anfrage im Bundestag in Sachen „Sittenverfall“ für dringend geboten. Reinhard Lüke
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