Der Libanon wählt ganz so, wie der Nachbar Syrien es sich wünscht

■ Am dritten Wahlwochenende gewinnt in Beirut die Liste des Ministerpräsidenten Rafiq Hariri 14 von 19 Mandaten

Beirut (taz) – Multimillionär und Ministerpräsident Rafiq al- Hariri hat es geschafft. Bei den Wahlen zum 128köpfigen libanesischen Parlament ging er am Sonntag als klarer Sieger hervor. 14 von 19 zu vergebenen Mandaten gingen an Kandidaten seiner Liste, darunter er selbst.

„Gemeinsam aufbauen“ lautete das auf Plakaten in Beirut verbreitete Motto des 52jährigen Bauunternehmers. Hariri hat sich nach dem Ende des Bürgerkriegs vor allem mit der von ihm gegründeten Solidere Aktiengesellschaft einen Namen gemacht. Die Gesellschaft kaufte fast das gesamte Land an der ehemals heftig umkämpften grünen Linie zwischen West- und Ost-Beirut auf und machte sich nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen an den Wiederaufbau des völlig zerstörten Stadtzentrums. Seitdem bildet das Dröhnen der Preßlufthämmer das klassische Beiruter Hintergrundgeräusch. Hariris Werk aus neuen Straßen und Telefonleitungen ist allgegenwärtig.

Kritiker werfen Hariri allerdings vor, den Libanon in eine profitable Aktiengesellschaft umgewandelt zu haben, mit wenig Rücksicht auf die sozialen Kosten. „Den Bulldozer“, nennen ihn deshalb viele Bewohner in den verarmten südlichen Vororten Beiruts. Ein Hinweis auf diesen Frust, mag die geringe Wahlbeteiligung von etwas über 30 Prozent sein. Die meisten Libanesen glauben ohnehin nicht an faire Wahlen.

Der Politologe Paul Salim beschreibt die jetzige Abstimmung als „Patronagesystem mit einem kleinen Schuß Ideologie“. Allerorten gilt der Grundsatz: Eine Hand wäscht die andere – Dienstleistungen gegen Stimmen. Hariri steht in dem Ruf, am konsequentesten indirekt Stimmen gekauft zu haben. Er gilt als „Mann Syriens“, der grauen Eminenz des Libanon. 40.000 syrische Soldaten stehen noch in dem kleinen Land und sorgen für „Ordnung“ nach Syriens Gusto.

In den vergangenen drei Sonntagen lief das libanesische Volksvotum ganz nach Damaszener Geschmack. Das streng nach religiös- konfessionellen Proporz aufgezogene Wahlsystem brachte bisher für jede religiöse Gruppe einen klaren Sieger hervor. Bei dem ersten Wahlgang in „Mont Liban“ vor zwei Wochen wurde Walid Jumblatt zum ersten Mann der Drusen bestätigt. Innenminister Michel Murr empfahl sich als Chef der Christen. Am Sonntag darauf wurde im Norden die sunnitische Karameh-Familie ausgeschaltet, die größte Konkurrenz für den ebenfalls sunnitischen Hariri. An den nächsten zwei Sonntagen bei den Wahlgängen im Süden und in der Bekaa-Ebene, wird voraussichtlich Nabi Berri das Rennen unter den Schiiten machen – auf Kosten der Hisbollah.

Die de facto erneut durch die Wahlen bestätigte streng konfessionelle und politische Teilung des Landes stellt sicher, daß auch in der instabilen Zukunft die konfessionellen Führer nur mit Hilfe und Vermittlung aus Damaskus gemeinsam „libanesische“ Politik machen können.

Damit bewahrt sich Syrien eine wichtige Karte in zukünftigen Friedensverhandlungen mit Israel. Das neue libanesische Parlament wird in der vierjährigen Legislaturperiode ein wichtiger Faktor im Schacher zwischen Israel und Syrien sein. Damaskus braucht einen absolut loyalen libanesischen Partner. Denn für den syrischen Präsidenten Hafis al-Assad gilt es einen libanesischen Alleingang gegenüber Israel zu verhindern. Und auch im Fall einer syrischen Unterzeichnung eines Friedensvertrags mit Israel muß jegliche Opposition gegen eine Normalisierung der Beziehungen in Syrien und im Libanon ausgeschaltet werden. Die Zusammensetzung des neuen libanesischen Parlaments ist dabei von entscheidender Bedeutung.

Weil fast alle libanesischen Kandidaten als „prosyrisch“ oder im für Damaskus schlimmsten Fall „neutral“ gegenüber ihren großen Nachbarn gelten, kann für Assad eigentlich nichts schief gehen. Karim El-Gawhary