Keine Einigung, nirgends

■ Die EU-Kommission hat weitere 16 Millionen Mark ungenehmigte Beihilfen von Sachsen an VW entdeckt

Johannes Ludewig, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, versuchte gestern in Brüssel vergeblich, eine Klage der EU-Kommission gegen die sächsischen Subventionen an VW abzuwenden. Der von Bonn vorgeschlagene Kompromiß sei unzureichend, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Konkreter wurden weder er noch die Bundesregierung. Gestern stand der Streit zwischen Sachsen und Brüssel erneut auf der Tagesordnung im Bundeskabinett. Wenn Bonn nicht einlenke, würden die 20 Kommissare morgen beschließen, eine einstweilige Verfügung gegen die Verwendung der Gelder beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zu beantragen (siehe Kasten).

Die EU-Kommission hatte für die sächsischen VW-Werke in Mosel und Chemnitz öffentliche Beihilfen von insgesamt 540 Mio. Mark genehmigt, weitere 240 Mio. Mark jedoch untersagt. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf ignorierte die Kommissionsentscheidung und zahlte 91 Mio. mehr als erlaubt.

Und damit nicht genug. EU- Wettbewerbskommissar Karel van Miert hat herausgefunden, daß Sachsen weitere 16 Mio. Mark, als Kredit genehmigt, in Wirklichkeit als verlorenen Zuschuß zahlte. Die EU-Kommission fordert nun, daß VW insgesamt 106 Mio. Mark an Sachsen zurückzahlt.

Die Bundesregierung ist bemüht, den Konflikt zu entschärfen. Wirtschaftsminister Günter Rexrodt bearbeitet seit rund einer Woche den Volkswagen-Konzern, ein Zeichen der Versöhnung zu setzen. Die 91 Mio. Mark könnten auf ein Sperrkonto gezahlt werden, oder VW sollte auf weitere Beihilfen verzichten. Auch könnte der Konzern durch einen Verzicht auf Abschreibungen in Höhe von 91 Mio. Mark die Kommission beruhigen. Die sächsische Landesregierung könnte ebenfalls klein beigeben und die vor einer Woche beim EuGH eingereichte Klage gegen die Kommission zurückziehen. „Klagen kann man jederzeit zurückziehen“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. „Unsere Haltung hat sich nicht geändert“, entgegnete die sächsische Regierungssprecherin. Sachsen werde die von der Kommission für den 4.9. gesetzte Frist abwarten.

Die EU-Kommission verlangt, daß VW das zuviel gezahlte Geld solange nicht verwenden darf, bis der EuGH endgültig entschieden hat. Das kann zwei Jahre dauern. Die einstweilige Verfügung dürfte dagegen in wenigen Wochen vorliegen. Dabei wägen die Richter nur ab, wie das Hauptverfahren wohl ausgehen wird. Danach entscheiden sie, ob das Geld bis zum Urteil verwendet werden darf oder sofort zurückgezahlt werden muß. Alois Berger/Ulrike Fokken