Erstmals Entschädigung für ein Berufsverbot

■ Urteil des Europäischen Gerichtshofs betrifft jedoch nur Lebenszeitbeamte

Hannover (taz) – Vierzehn Jahre nach der Einleitung des Berufsverbotsverfahrens gegen die Lehrerin Dorothea Vogt muß das Land Niedersachsen nun 222.639 Mark Schadensersatz zahlen, und zwar wegen des Verstoßes gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Begonnen hatte alles mit einem Disziplinarverfahren im Juli 1982. Als Studienrätin engagierte sich Vogt damals für die DKP. 1986 verhängte ein Gericht ein Berufsverbot.

Die heute 47jährige ging durch alle gerichtlichen Instanzen, bis sie schließlich im vergangenen Herbst vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Recht bekam. Am Montag einigten sich Vogt und der Vertreter der Bundesregierung nun auf eine Entschädigung für den staatlichen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechstkonvention: 222.639 Mark erhält Vogt nun aus der niedersächsischen Landeskasse, knapp 118.000 Mark davon anstelle des Gehalts, das ihr bis zur Wiedereinstellung in den Schuldienst im Jahre 1991 entgangen ist. Außerdem muß die Lehrerin künftig bei Gehalts- und Pensionsansprüchen so behandelt werden, als sei sie nie aus dem Dienst entfernt worden. Obwohl Vogt die einzige Lebenszeitbeamtin ist, die ihr Berufsverbotsverfahren bis zum Straßburger Gerichtshof durchgefochten hat, hoffen nun auch andere vom Berufsverbot Betroffene auf Entschädigung. Für zehn mit dem Radikalenerlaß verfolgte Lebenszeitbeamte bereitet Vogts Hamburger Rechtsanwalt Klaus Ammann gegenwärtig mit Unterstützung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft eine Wiederaufnahme ihrer Disziplinarverfahren vor. Da das Straßburger Urteil neue Tatsachen geschaffen hat, geht der Hamburger Anwalt davon aus, daß eine Wiederaufnahme auch zu einer Anerkennung der Schadenersatzpflicht führen wird. Die Gesamtzahl der mit Berufsverbot belegten Lebenszeitbeamten schätzt Ammann bundesweit auf rund 50.

In Niedersachsen haben außerdem zehn weitere Lehrer Schadenersatzansprüche geltend gemacht, die aufgrund ihres politischen Engagements erst gar nicht in das Beamtenverhältnis übernommen wurden. Das Kultusministerium will den zehn Lehrern jedoch einen abschlägigen Bescheid zukommen lassen. Zur Begründung heißt es, das Straßburger Urteil beziehe sich ausdrücklich auf Lebenszeitbeamte. Die übergroße Mehrzahl der in den 70er und 80er Jahren vom Radikalenerlaß Betroffenen wurde jedoch gar nicht erst fest in den Staatsdienst übernommen. Jürgen Voges