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: Wo ist Behle?

Es gibt eine Frage, die wie keine andere die Suche der postmodernen Gesellschaften am Ende dieses Jahrhunderts symbolisiert: Wo ist Behle? Aus aktuellen Zwängen heraus wird diese Fragestellung in letzter Zeit immer häufiger um einen nicht weniger symbolträchtigen Aspekt erweitert: Wo ist Jelzin? Auch unser Außenminister kann sich dem Unausweichlichen nicht mehr entziehen, und so stellt er die Mutter aller Fragen folgerichtig ins Zentrum seines Grundsatzartikels über Rußland, der in der gestrigen FAZ unter dem sehr persönlichen Titel „Rußland gehört zu Europa“ erschienen ist. Da aber Klaus Kinkel nie ganz auf der Höhe der Zeit ist, schon gar nicht auf der der Postmoderne, formuliert er etwas altmodischer: „Wie geht es Jelzin?“

Blöde Frage. Es geht ihm gut. Jeden Morgen dusche er kalt. Sagt Jelzin. Und: „Ich bin in bester Form.“ Sein Händedruck sei kräftig. Läßt sein Pressesprecher Sergej Jastrschembski verlauten. Der Präsident verfolge aufmerksam alle Entwicklungen. Und alle Entwicklungen verfolgen aufmerksam den Präsidenten. Vor der Abreise in sein Jagdhaus „Rus“ Anfang dieser Woche hat sich Jelzin noch einmal untersuchen lassen. Seine Ärzte sagen, er sei unternehmungslustig und habe die Politik im Griff. Und die Flasche. Alles andere hat er voll im Griff.

Kinkel will davon nichts wissen. In seinem Grundsatzartikel antwortet er auf die Frage, wie es Jelzin gehe, so feige wie alle Diplomaten: „Ich hoffe persönlich, daß Jelzin sich so gesund fühlt, wie es die Herausforderungen an sein Amt gerade jetzt erfordern.“ Was soll das? Wenn hier jemand eine Herausforderung ist, dann Jelzin – und zwar für sein Amt. Und was heißt eigentlich gesund? Jelzin geht es gut. Warum, das weiß er selbst am besten: „Wenn ich jetzt sagen würde, ich trinke nicht, würde mir das keiner glauben. Also sage ich: Ich kann einiges vertragen, aber ich erlaube mir keine Exzesse.“ Richtig, man kann Probleme auch wegsaufen. Sloterdijk würde das „Politik des Verschwindens“ nennen. Bis nichts mehr zu sehen ist. Wie bei Behle. Jens König