Kulturkommentar
: Kleine Gefälligkeiten erhalten die Freundschaft

■ Bei der gestrigen Sitzung des Wirtschaftsförderungsausschusses wurde klar: Geld für die Kultur ist da – wenn die Politiker nur wollen

Ist Justus Frantz ein armer, verkannter Dirigent, ein förderungswürdiger Fall? Leisten Musicals einen wichtigen Beitrag zur Volksbildung? Und steht gar „Stomp“, die Truppe der Werbetänzer aus dem Coca Cola-Clip unter Artenschutz? Absurde Fragen? Mag sein. Doch wer aus einer normalen deutschen Großstadt zur Zeit die Bremer Wirtschaftsförderung für die Kultur verfolgt, der schüttelt den Kopf.

250.000 Mark Zuschuß für drei Konzerte von Justus Frantz, 150.000 Mark Ausfallbürgschaft für „Stomp“ und 400.000 Mark für die „Scorpions“. Heute hat der Wirtschaftsausschuß wieder beraten und beschlossen: 150.000 für „Stomp“ geht klar. Und Justus Frantz erhält gleich 175.000 Ausfallbürgschaft – darauf wird zurückgegriffen werden. Denn nachdem die Kartenkassen in Bremerhaven abgerechnet sind, haben die Veranstalter der „Scorpions“ natürlich ein Minus-Geschäft zu beklagen.

Aber plötzlich fließt der öffentliche Geldhahn für die Kultur. Ein geknackter Daddelautomat scheint auszulaufen. Ausgespuckt werden Beträge, die ihre wahre Dimension erst im Vergleich zu den Almosen gewinnen, mit denen die Bremer Kulturlandschaft sonst abgespeist wird.

Noch einmal: 250.000 Mark sollte Justus Frantz für drei Konzerte als Basisfinazierung, einfach so zusätzlich zu den selbst eingenommenen Eintrittsgeldern, bekommen. Nun bekommt er allein für das Rennbahn Open Air Konzert „Last night of the Proms“ 175.000 Mark Ausfallbürgschaft. Jede Wette, daß die Abrechnung genau diesen Fehlbetrag ausweisen wird. Als das Junge Theater zum ersten Mal Projektförderung bekam, waren das 40.000 Mark - für ein ganzes Jahr. Die gesamte Bremer Filmförderung soll mit 100.000 Mark übers Jahr kommen. Und viele Projekt scheitern einfach, weil nicht mal die geringsten Förderbeträge locker zu machen sind, z.B. bekam die Bremer Sängerin Sabine Mariß nicht einmal 8.000 Mark für ein Gesangsprojekt. Das Geld sei halt nicht da, lautete bislang das Ammenmärchen, mit dem nun endlich aufgeräumt wird. Seit zwei Wochen offenbart sich, was wir immer schon ahnten: Sogar für die Kultur rollt der Rubel, wenn Politiker nur wollen und sie sich als Wirtschaftsförderung deklarieren läßt. Nur verliert das künstlerische Ereignis mehr und mehr an Bedeutung. Wer, was spielt, egal. Hauptsache, politische Würdenträger können sich damit schmücken.

Ein wüste Unterstellung aus längst überholten K-Gruppen-Zeiten? Doch die schönsten Geschichten entspringen nicht der Phantasie, sondern werden vom Leben selbst geschrieben: Justus Frantz spielte ganz zufällig mit seinem ganzen Orchester, als die Bremer CDU ihr 50jähriges Bestehen feierte. Natürlich umsonst.

Das hilft enorm, wenn die Förderungsausschüsse des Wirtschaftssenators Hartmut Perschau (CDU) tagt.

Vielleicht sollte man den bedürftigen Bremer Kulturschaffenden empfehlen, auch mal ein Ständchen für Wirtschaftsfachleute oder eine kleine Ode für Politiker zu halten. Offensichtlich verkürzt das die Entscheidungswege enorm und erhöht die Förderungssummen bedeutsam.

Doch die Bremer Kulturleute scheinen zur Zeit nicht zu Scherzen aufgelegt. Zu schmerzhaft waren die Schnitte und Notoperationen, die die Bremer Kulturszene in den letzten Monaten hinnehmen mußte. Knapp hat mancher Patient überlebt. Monatelang mußte Anfang des Jahres das renomierte Bremer Theater um seinen Fortbestand fürchten, die Eliminierung der Tanztheater- Sparte hing in der Luft. Jetzt lebt man mit einer Nullrunde und ohne den Verwaltungsdirektor Rempe. Der hatte wegen der „politischen Verkommenheit“ gekündigt. Der hochverdiente Konzertveranstalter „dacapo“, bei dem sich Ingo Ahmels mit viel Erfindungsgabe um die Verbreitung ernster Musik kümmert, wurde mit 60.000 Mark empfindlich gekürzt. Und im Lagerhaus, einer der ältesten Bremer soziokulturellen Einrichtungen muß man gar 30 Prozent Etatkürzung hinnehmen.

Kein Publikummagnet im Vergleich zum Medienstar Justus Frantz. In der Tat! Doch an wen sollten Steuergelder verteilt werden? Wie versteht die öffentliche Hand ihre Förderung? Als reichhaltigen Bakschisch für einen Tusch zum CDU-Geburtstag oder als Unterstützung für Institutionen wie das Bremer Theater, die auf Subventionen angewiesen sind, weil sie sich in erster Linie der Kunst verschrieben haben, nicht aber sich als Diener der Politik verstehen.

Ein Konzertveranstalter wird immer gern auf eine Ausfallbürgschaft zurückgreifen, wenn sie ihm denn zugesichert wird. Man soll da dem erfahrenen Veranstaltungs-Profi KPS, der nun das Justus Frantz „Last Night of the Proms“ ausrichtete und der bewiesen hat, daß er sonst schwarze Zahlen schreibt, gar keinen Vorwurf machen, daß er die Hand aufhält. Nichts gegen populistische Highlights, sie schmücken eine Stadt. Aber diese laxe Vergabepraxis in der Wirtschaftbehörde wirkt zu attraktiv für die Glücksritter der Subventionskultur. Man erinnere sich, daß Justus Frantz nicht gerade mit dem Ruf eines Saubermannes aus dem finanziellen Debakel um das Musikfestival Schleswig Holstein herausgegangen ist. Nur macht das Schule. Hermann Pölking-Eiken gibt ganz freimütig zu, wie er auf den Gedanken verfallen ist, für seine Coca Cola-Trommler Geld zu beantragen. Man habe sich erst getraut, als klar war, daß der Frantz auch Geld kriegt.

Susanne Raubold