„Ruppige Stimmung“ in der Koalition

■ Scharfe SPD-Kritik, trotzdem Geld für Justus Frantz (s.Seite 23) / Linie 6 erstmal gestoppt

Justus Frantz kann aufatmen. Gestern haben die Wirtschaftsförderungsausschüsse 175.000 Mark für die „Last Night of the Proms“ beschlossen – gegen die Stimmen von Grünen, AfB und gegen die Stimme des SPD-Abgeordneten Manfred Fluß. Der zog dann auch die Konsequenzen („Zur Person“). Vorangegangen war eine Sitzung in „ruppiger Stimmung“, erzählte der SPD-Abgeordnete Detmar Leo. So ruppig, daß Wirtschaftssenator Hartmut Perschau verlautbaren ließ, er sei „außerordentlich betroffen. Wir sind es leid, daß der Standort Bremen ständig zerredet wird“, sagte ein Perschau-Sprecher in Richtung Koalitionspartner SPD. Und die Ausschüsse haben noch eine weitere wegweisende Entscheidung getroffen: Der Baubeginn der Straßenbahn-Linie 6, ein politisches Lieblingskind der CDU, wird verschoben. Betrieben wurde das – von der CDU selbst.

Endlich mal eine positive Nachricht aus Bremen – so schön hatte sich Bausenator Bernt Schulte den doppelten ersten Spatenstich für die beiden neuen Straßenbahnlinien 4 und 6 vorgestellt. Doch aus der Großaktion am 23. September wird nichts. Auf Antrag der CDU haben die Wirtschaftsförderungsausschüsse gestern die Auszahlung der ersten Rate für den Bau der Verlängerung der Linie 6 zur Universität gestoppt. Erst im Oktober soll die Sache erneut beraten werden.

„Das bedeutet eine Verzögerung des Baubeginns um mindestens zwei Wochen“, sagt Schultes Sprecher Hartmut Spieseke. Er versteht den Vorstoß seines CDU-Kollegen im Wirtschaftsförderungsausschuß, Helmut Pflugradt, nicht. „Die Bausumme wird nicht geringer, wenn der Ausschuß die Vorlage aussetzt“, meint der Schulte-Sprecher.

„Auch wir sind nicht gegen die Linie 6“, versichert Pflugradt, doch möchte er noch einmal geprüft haben, ob die neuen Gleise nicht vielleicht doch etwas billiger als für die geplanten 55 Millionen Mark zu haben sind. Und am liebsten würde er diese Frage auch noch einmal für die Linie 4 aufwerfen. Doch darüber hat der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende nichts mehr mitzuentscheiden. Denn das erste Baugeld für die Linie 4 steht schon längst abrufbereit im Haushalt 1996 zur Verfügung.

Weniger zimperlich mit dem Geldausgeben waren die CDU-Vertreter dann beim Thema Justus Frantz. Mit der SPD hatten sie sich auf einen Kompromiß geeinigt. 250.000 Mark hatte die Veranstaltergemeinschaft der Frantz-Konzerte haben wollen – die Hälfte der kalkulierten Kosten. 175.000 Mark „Ausfallbürgschaft“ sollten sie nun kriegen – allerdings nur für die „Last Night“. Die beiden geplanten Zusatzkonzerte im kommenden Jahr in der Glocke sollen auf privates Risiko stattfinden. „Dafür wird kein Pfennig mehr rübergeschoben“, sagte gestern Detmar Leo. „Ich finde das nach wie vor dreist und falsch, ein politischer Sündenfall. Aber man kann den Veranstalter nicht im Regen stehen lassen.“ Die Grünen kommentierten: „Ein weiteres Armutszeugnis für die politische Kultur der Großen Koalition“.

Auch die AfB stimmte gegen die Frantz-Förderung, allerdings nur aus formalen Gründen, weil die Vorlage erst nach dem Konzert auf den Tisch des Hauses gekommen war. „Aber es wäre schon ein verheerendes Signal an Konzertveranstalter, wenn man so ein Ereignis nicht fördern würde“, sagte der AfB-Abgeordnete Patrick Wendisch. „Dann fände bald gar nichts mehr statt.“ Dem Abgeordneten schwebt da offensichtlich vor, Bremen zur Gruftie-Hochburg zu machen. „Stellen Sie sich vor, nächstes Jahr würde Leonard Bernstein kommen wollen!“ Kann nicht, der ist leider schon tot. Ase/J.G.