■ Ökolumne
: 20.000 ratlose Ingenieure Von Wolfgang Lohbeck

Kaum zu glauben: Da forschen 20.000 Ingenieure bei deutschen Autoherstellern seit mehr als 20 Jahren, aber ein nur einigermaßen verbrauchsoptimiertes Auto gibt es immer noch nicht. Kein einziges der jetzt neu auf den Markt kommenden Modelle liegt auch nur in der Nähe von fünf Litern, von vier oder gar drei Litern ganz zu schweigen. Der durchschnittliche Verbrauch aller heute neu auf den Markt kommenden Autos ist immer noch, kaum anders als schon vor 30 Jahren, fast neun Liter Benzin.

In weniger als zwei Jahren hat Greenpeace bewiesen, daß schon heute mit einem ganz normalen Serienwagen eine Halbierung des Benzinverbrauchs ohne weiteres möglich ist, so man nur will. Und das mit einem Budget von weniger als einem Tausendstel dessen, was die Autoindustrie für Werbung ausgibt.

Während die aktuellen Neufahrzeuge sieben, acht, neun oder mehr Liter verbrauchen, wirbt die Industrie mit dem „Drei-Liter-Auto“, das sie angeblich schon hat. Zum Beispiel Opel mit einem 2,969-Liter-Auto namens Eco Corsa3, gemessen unter wirklich bemerkenswerten Bedingungen: von Turin strikt bergab ans Meer nach Monte Carlo, Höhendifferenz 250 Meter. Noch dazu für ein Auto, das als Serienmodell in den nächsten zehn Jahren gar nicht gebaut werden kann und nach eigener Aussage auch gar nicht soll. Die Beispiele ließen sich häufen.

Wer zu derart erbärmlichen Tricks greifen muß, kann nicht viel in der Hand haben und hat etwas zu verbergen. Entweder haben die 20.000 Ingenieure der deutschen Autoindustrie 20 Jahre lang geschlafen – was ihnen niemand abnimmt –, oder sie wurden mit Erfolg daran gehindert, in die richtige Richtung zu denken.

Denn was kaum mehr als eine Handvoll engagierter Ingenieure zusammen mit Greenpeace in so kurzer Zeit geschafft hat, das sollte auch einer Armada deutscher Ingenieure mit Milliardenbudgets möglich sein: ein Serienfahrzeug von 6,7 Liter Verbrauch (Renault Twingo) auf 3,27 Liter herunterzubringen (amtlicher Test des Schweizer TÜV), und das bei gleicher Fahrleistung, gleichem Komfort und ohne Abstriche an Sicherheit. Eine glatte Halbierung also gleich beim ersten Anlauf, ohne die jetzt immer noch möglichen weiteren Detailverbesserungen. Und daß das im Prinzip natürlich nicht nur bei einem Twingo, sondern genauso gut bei einem Golf, Omega oder Scorpio geht, hat die renommierte Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich bereits ausdrücklich bestätigt.

Zumnindest dieser erste Schritt, mit heute schon vorhandener Technik den Benzinverbrauch zu halbieren, wäre die dringend nötige erste Hilfe für das Klima. Denn leider, auch wenn es uns nicht gefällt, wird nach allen Prognosen die Zahl der Autos weltweit weiter zunehmen und damit auch die nach Milliarden Tonnen zählende Abfall-Last in Form von Kohlendioxid. Hätten die Autofahrer auch nur einen Funken von Verantwortungsbewußtsein, würden sie sich dieser Tatsache endlich stellen und die nachgewiesenermaßen existierenden Techniken zur Benzinreduzierung tatsächlich einsetzen.

Wenn die Autoindustrie sich weiterhin in einem Verweigerungskartell einigelt und sich mit plattesten Öko-Lügen – siehe Opel Eco3 – aus der Affäre zu ziehen versucht, ruiniert sie nicht nur das Klima, sie versäumt es auch, ihr Produkt in eine einigermaßen zukunftsfähige Form zu bringen. Aber vielleicht müssen es ja erst wieder einmal die anderen tun, bevor die deutsche Industrie die Chance einer technischen Innovation erkennt.

Lügen allein jedenfalls hilft nicht, der Autoindustrie nicht, und dem Klima erst recht nicht. Die Herrn Piäch, Werner, Pichelsrieder und Kollegen täten gut daran, die geballte Kreativität ihrer 20.000 Ingenieure auf die Probleme anzusetzen, um die es wirklich geht: die Halbierung des Benzinverbrauchs. Das wäre für alle Beteiligten nützlicher als die Optimierung des Handschuhfachs oder das Design des Türgriffs.