„Man muß eben einfach Fan bleiben“

■ Regisseurin Allison Anders über Filmhochschulen, Scorsese, Melodramen

taz: Geben Festivals inzwischen ein arbeitsfähiges Netzwerk ab?

Allison Anders: Ohne das Indie-Treffen Sundance in Utah oder die Filmfestspiele in Venedig oder Cannes wären Filme wie „Stranger than Paradise“ nie so groß in den den Vereinigten Staaten vertrieben worden.

Sind auch Filmhochschulen Teil dieses Netzwerks?

Leute wie Robert Rodriguez („From Dusk till Dawn“) finden natürlich, man hat Filmschulen nicht nötig. Aber woher hast du dann deine Bildsprache, aus der Gebrauchsanleitung für deine Kamera? Es rückt eine Gruppe von ganz jungen Filmemachern nach, die glauben, es reicht, eine High-8- Kamera zu haben und Actionfilme zu gucken; sie richten sich unbewußt daran aus, daß in Hollywood die Special-effects-Branche immer wichtiger wird. Über sie hört man dann immer diese „Boy wonder“- Geschichte: Wow, mit 7.000 Dollar hat er diesen schönen Film gedreht. Aber wo ist das „girl wonder“? Ich habe Telefonsex gemacht, war Kellnerin, Sozialhilfeempfängerin, habe zwei Kinder großgezogen – mir kann niemand erzählen, ich könnte nicht mit kleinen Budgets arbeiten.

Was Filmschulen betrifft: Ich glaube, Theorie ist wichtig. Wenn man lernt, daß D. W. Griffith die Großaufnahme erfunden hat, dann lernt man mehr als: Wow, guck mal, wie nah das ist! Man lernt, daß es dabei um wirklich dramatische Momente ging, die auch etwas mit der amerikanischen Geschichte zu tun haben.

Andererseits hat die akademische Ausbildung doch auch zu diesen „verfilmten Zettelkästen“ geführt, die vor Zitaten aus der Filmgeschichte nur so klirren, in denen alles mit Bedeutung aufgeladen und in diesem ewig gleichen eleganten Schwarzweiß gehalten ist.

Man muß eben Fan bleiben. Jemand wie Scorsese hat absolut solide Theorie – er hat ja auch an der New Yorker Filmschule unterrichtet –, oder Quentin Tarantino. Der ist auch nicht mit einer High-8-Kamera aufgetaucht und konnte dann loslegen.

„Grace of My Heart“, der Film, den Sie hier vorgestellt haben, wurde von Scorsese mitproduziert. Wie hat das funktioniert?

Er war, wenn man so will, der Mentor des ganzen Projekts, und ich wollte jemanden, der mir etwas beibringt. Das ist auch so ein Problem in der Filmindustrie: Jungregisseure wollen mit Sam Fuller einen trinken gehen, so von Mann zu Mann, aber nichts lernen, wie war das eigentlich, „40 Guns“ zu drehen? Ich hatte schon Erfahrung mit Wim Wenders, der mich auf dem Set von „Paris, Texas“ mit ihm arbeiten ließ. Also: Scorsese nahm sich das Drehbuch vor. Ich habe alle seine Korrekturen akzeptiert bis auf die eine: Daß der Mann zum Schluß nicht wiederkommt, hätte ich nicht ertragen.

Wie kommt es, daß sich so viele Indie-Filme mit den sechziger Jahren beschäftigen?

Da kommen wir eben her, ästhetisch und kulturell. Daß die späten Sechziger, die man in meinem Film sieht, auch etwas Zerstörerisches hatten, habe ich erst bei Joan Didion so richtig begriffen. Aber inzwischen sind alle vernünftiger geworden, und so kann man sie wieder unbelasteter plündern, sogar die Disney- Filme. Ich würde gerne das Melodrama aktivieren, das ein bißchen in Mißkredit geraten ist, weil man denkt, es bedeutet melodramatisch. Dabei heißt es in erster Linie, daß eine Geschichte von innen nach außen, und vor allem mit Musik erzählt wird. Es war das Genre für Frauengeschichten, und das kommt wieder. Eines Tages will ich Douglas Sirks „Tomorrow“ neu verfilmen.