Gala für die Business Class

■ Donald Fagen und Walter Becker, die besseren Hälften der US- amerikanischen Pop-Musik, simulierten Steely Dan live im CCH

Großes Stelldichein beim Kongreß zum gegenwärtigen Stand in der weltumspannenden Steely-Dan-Forschung im CCH. Und Lampenfieber allenthalben: bei den ganzen Männern in den besten Jahren, bei den ebensolchen Paaren, den vereinzelten Gespannen aus Vater und Sohn. Kein Wunder, wenn zwei leibhaftige Halbgötter und neun handverlesene Erlösungsgehilfen auf der Bühne stehen! Einmal Steely Dan sehen und – schwärmen. Aber erst hinterher, wenn der Kongreß tanzen geht. Oder in Fachgesprächen am Morgen danach.

Zunächst, wie es sich bei einem teuren Spaß gehört, in aller Ehrfurcht (klarer Sound) und Bequemlichkeit (gute Sessel) erstarren. Denn die Hamburg-Premiere von Steely Dan simulierte erwartungsgemäß perfekt die Auferstehung einer Band, die immer so getan hat, als existiere sie nicht wirklich. Lug und Trug verkörpert der sonnenbebrillte Donald Fagen noch immer vorbildlich. Halb Gentleman, halb Hampelmann, gab er den nöligen Sänger, schmutzigen Texter, achtbaren Keyboarder und ironischen Conferencier. Walter Becker ist ein wenig behäbig geworden, aber ein ausgeschlafener Gitarrist geblieben. Und das Rätsel, wer nun wessen bessere Hälfte ist, besteht fort.

Diesen ganzen Sophismus hört man Steely Dans Musik auch live an: edel, aber verschwenderisch, mal pompös, mal ein klein wenig verrucht und allem Eklektizismus zum Trotz geheimnisvoll. Die Essenz dessen, was Steely Dan anno dazumal weit über den Pop-Durchschnitt emporhob, ist heute noch genauso lupenrein und nach Belieben abrufbar. Auf wirklich opulente Live-Versionen der ganzen wohlbekannten Perlen wartet man jedoch vergebens – „Aja“, für so etwas ganz besonders prädestiniert, ist bezeichnenderweise gar nicht erst im Programm. „Third World Man“ übrigens auch nicht. Schade, hätte sich im Business-Class-Ambiente des CCH bestimmt schön perfide ausgenommen.

Dafür gab es neue Songs: ganze zwei (2) an der Zahl, die man schleunigst wiederhören will und wohl demnächst auch kann, warte nur balde. Wayne Krantz dürfte sich, wenn es an die geplanten Studioaufnahmen geht, das Ticket für seine weitere Mitwirkung verdient haben. Selten hat sich ein so kompetentes wie sympathisches Gitarrenungeheuer in Steely-Dan-Reihen zu schaffen gemacht. Ob es Freiheit oder Frechheit war, daß er im „Kid Charlemagne“-Solo nicht Lary Carlton doubelte wie noch Vorgänger Georg Wadenius? Und das ist nur eine jener letzten Fragen, die uns Fachidioten noch lange beschäftigen werden.

Andreas Schäfler