Körper und Seele in Balance

Am Samstag rund um den Stadtpark: In-Line-Skating-Sommer rollt zum Höhepunkt  ■ Von Julia Kossmann

Es rollt. So ähnlich muß schweben sich anfühlen. Die Schuhe, die so leicht machen, sind zwar meistens schwer und oft starr wie Skistiefel. Aber sie machen selbst Unsportliche beinahe beängstigend schnell, und als Schwerstes ist zu Beginn das Bremsen zu lernen. Außerdem kann das Leichtigkeitsgefühl beim In-Line-Skating schon bei AnfängerInnen zu leichten Rauschzuständen führen. Und auf die Dauer zu mehr Geschicklichkeit, Gleichgewichtssinn und Kondition. Beinahe dahinschwebend kommt der Körper besser ins Lot und damit manchmal auch die Seele ein wenig besser in die Balance.

Angst und Schrecken verbreiten In-Line-Skater in Fußgängerzonen, auf Radwegen und Straßen – so man Horrorgeschichten glauben mag, die den In-Line-Trend in den Medien begleiten. „Ein Scheingefecht“, sagt Volker Nagel, Sportwissenschaftler an der Hamburger Uni, der seit über drei Jahren In-Line-Skating in zahlreichen Projekten wissenschaftlich begleitet und praktisch lehrt. Er gibt zu bedenken, „wieviel Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr nicht auf bösen Willen, sondern einfach auf Ungeschicklichkeit zurückzuführen ist“. Und auf der Suche nach einem neuen Therapeutikum für solcherlei Probleme war der Sportwissenschaftler eines Tages auf die neuartigen Rollschuhe mit dem hohen „Motivationspotential“ gestoßen, mit denen sich die Wahrnehmung bei jung und alt so vielseitig trainieren läßt.

In der Verkehrserziehung – deren Mangel die Hauptrolle in den unseligen Zusammenstößen der verschiedensten Verkehrsteilnehmer spielt – hält Nagel das In-Line-Skating für einen idealen „Bildungsinhalt“, der viele Trainingsmomente transportiere und „vom Erlebnis her packt“. Dennoch habe das Dahinrollen in der Stadt eher eine Zukunft als ruhige Fortbewegungsart, so Nagel, der auch empfiehlt, „Koalitionen mit Fußgängern und Fahrradfahrern“ einzugehen.

Für „prickelnde“ Aktivitäten und solche, bei denen beispielsweise Jugendliche am Rande des Risikos mit „wilden, interessanten Spielformen“ Erfahrungen sammeln können, fordert er abgegrenzte Flächen wie auch die – zeitweilige – Benutzung von Schulhöfen und -hallen. Die Schulbehörde verbannt inzwischen die Gummirollschuhe nicht mehr grundsätzlich aus den Schulsporthallen und begrüßt das Skaten gar als „Bereicherung des Bewegungslebens“, schreibt Ursula Guse vom Referat Sport.

In den Kursen der gemeinnützigen Hamburger In-Line-Skating Schule (HIS) vermitteln Nagel und SportstudentInnen den SchülerInnen oder FreizeitsportlerInnen jeden Alters die ersten Schwebezustände auf Rollen. Den StudentInnen erschließen sich damit zugleich praktische, „an gesellschaftlichen Bedürfnissen orientierte Arbeitsfelder“ für die berufliche Zukunft.

Um künftig dem gewachsenen „Bedarf nach Bewegung“ nachzukommen – und das vielleicht nicht nur in hermetischen Fitness-Centern oder teuren Schwimmbädern, sondern auch umsonst und draußen in der Stadt –, fordert HIS-Leiter Nagel mehr Veranstaltungen für Bewegung im öffentlichen Raum, bei denen die Straßen den FreizeitrollerInnen aller Art gehören. Als Wissenschaftler will er nicht zuletzt „heraus aus dem Elfenbeinturm Uni, und das mit Sachen, die in der Öffentlichkeit anliegen“.

Und auch deshalb ist die HIS an diesem Sonnabend Mitveranstalterin des 2. Hamburger Halbmarathons um den Hamburg-Mannheimer Cup, bei dem etwa 3000 LeichtathletInnen, 1000 SkaterInnen und um die 10.000 ZuschauerInnen rund um den Stadtpark erwartet werden.