Major schlägt sich durch

■ Die britische Regierung besteht auf dem Recht der Eltern, Kinder zu prügeln

Dublin (taz) – Prügel ist eine „angemessene Form der Züchtigung“, findet die britische Regierung. „Das englische Recht entspricht dem gesunden Menschenverstand“, sagte Gesundheitsminister Stephen Dorrell am Montag abend. Die Regierung wolle die elterliche Prügelstrafe „mit allen Mitteln verteidigen“. Auch Premierminister John Major verteidigte die Prügelstrafe.

Die Regierung in London reagierte auf eine Entscheidung der Menschenrechtskommission des Europarats, die Beschwerde eines Zwölfjährigen über seinen prügelnden Stiefvater zuzulassen. Die Kommission muß den Fall nun eigehend prüfen und dann entscheiden, ob sie ihn an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist. Damit ist jedoch frühestens im nächsten Jahr zu rechnen. Gewinnt das Kind, müßte Großbritannien die Gesetze ändern. Vor drei Jahren zog die Regierung schon einmal den kürzeren, als ein Kind erfolgreich gegen „körperliche Züchtigungen“ in der Schule klagte. Seitdem ist die Prügelstrafe an öffentlichen Schulen abgeschafft, an Privatschulen darf weiterhin geschlagen werden.

Der derzeitige Fall kam vor die Menschenrechtskommission, nachdem der Stiefvater des damals Neunjährigen 1993 von der Anklage der Körperverletzung freigesprochen worden war. Er hatte das Kind mit einem Rohrstock krankenhausreif geschlagen. Dennoch entschieden die Geschworenen auf Freispruch, weil der Richter ihnen erklärt hatte, daß die „angebliche Mißhandlung lediglich eine übliche Bestrafung des Kindes durch seine Eltern gewesen“ sei. Die Mutter hatte ausgesagt, daß der Junge seine Geschwister zuvor mit einem Küchenmesser bedroht habe. Der Junge lebt jetzt bei seinem leiblichen Vater.

Eine Untersuchung des Gesundheitsministeriums hat ergeben, daß 91 Prozent der britischen Eltern ihre Kinder schlagen. Über ein Drittel aller Vierjährigen und ein Viertel aller Siebenjährigen wird öfter als einmal in der Woche vermöbelt. Der britische Kinderschutzbund begrüßte gestern die Entscheidung der Menschenrechtskommission und forderte die Regierung auf, umgehend zu handeln. „Großbritannien hat die UN- Konvention über die Rechte von Kindern 1991 freiwillig ratifiziert“, sagte ein Sprecher. „Deshalb ist die Regierung verpflichtet, Kinder vor jeder Form von Gewalt zu schützen.“ Ralf Sotscheck