Bosnische Kriegsflüchtlinge können nicht zurück

■ Bündnisgrüne: Die Rückführungspläne der Innenminister sind unrealistisch

Berlin (taz) – „Es gibt keinen Widerstand in der deutschen Bevölkerung gegen die bosnischen Flüchtlinge“, zeigte sich Bosiljka Schedlich optimistisch. Die jüngst mit einem Menschenrechts-Preis ausgezeichnete Leiterin des Berliner SüdOstEuropaKulturZentrums verwies gestern während einer Pressekonferenz der Bündnisgrünen auf die rund 600 in Deutschland entstandenen Hilfsorganisationen für Bosnien. Sie hofft deshalb, daß die von interessierten Politikern und Medien initiierte Kampagne gegen die „bosnischen Sozialhilfeabzocker“ nicht greift. Die Vertriebenen würden gerne zurückkehren, aber sie könnten nicht, so Schedlich. Das leugnen zu wollen gehe an der Realität vorbei.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Gerd Poppe, gerade von einer Reise durch Bosnien zurückgekehrt, sah das ähnlich: „Es ist eine völlige Verkennung der Tatsachen, ab 1. Oktober im großen Maßstab mit der Rückführung beginnen zu wollen.“ 60 bis 70 Prozent aller hier lebenden Flüchtlinge kämen aus serbisch besetzten Gebieten, in die sie nicht zurückkehren könnten. Die Menschen aus ethnisch gemischten Familien und die Roma wolle „keiner haben“. Drei Millionen Minen seien noch nicht abgeräumt. 1,5 Millionen Bosnier seien Flüchtlinge im eigenen Land, deren Rückkehr laut Dayton-Abkommen prioritär zu organisieren sei.

Gerd Poppe glaubt zwar, daß angesichts dieser erdrückenden Tatsachen bei der kommenden Innenministerkonferenz am 19. September „eine faktische Verschiebung des Rückkehrbeginns herauskommt“. Das helfe jedoch nicht weiter, solange die Rückkehrbedingungen nicht völlig verändert würden. Ihm schweben regionale Beratungsbüros für freiwillige Rückkehrer vor, die in enger Zusammenarbeit mit dem UNHCR vorher abklären, ob die jeweilige Heimatregion sicher ist. Auch die finanzielle Wiederaufbauhilfe könne hier besser koordiniert werden. Wohnungen und Betriebe seien zum großen Teil zerstört, aber angesichts des politischen Chaos seien dafür vorgesehene EU-Gelder nicht abgerufen worden. Poppe kündigte an, seine Fraktion wolle nach den Wahlen in Bosnien am 15. September versuchen, einen interfraktionellen Antrag für ein „differenziertes Wiederaufbauprogramm“ durch den Bundestag zu bringen. Die Berliner Bündnisgrünen wollen schon in der morgigen Landtagssitzung einen Antrag stellen, der den Berliner Senat auf einen späteren Rückführungstermin verpflichten soll. Ute Scheub