„Frustrierte Zaungäste“

■ Umweltsenator greift Kiel an: Harrislee-Abfall besser in Müllöfen verfeuern

Hamburgs Umweltsenator Fritz Vahrenholt (SPD) sprühte gestern Funken. Im Festzelt am Rugenberger Damm in Altenwerder, wo Vahrenholt bei Bratkartoffeln und Sekt den Grundstein für die neue Müllverbrennungsanlage (Inbetriebnahme 1999, 320.000 Tonnen Jahresverbrennungskapazität) legte, hagelte es verbale Schläge: Auf alle, die seine als „umweltfreundlich“ angepriesene Rostfeuerung als „Dinosaurier-Technik“ bezeichnen. Und auf alle, die – anstatt Hamburgs leere Müllöfen zu füttern – ihren Dreck „lieber zur Deponie nach Schönberg transportieren“, ätzte der Senator, „insbesondere“ gegen „unser nördliches Bundesland“.

Der bereits angelaufene schleswig-holsteinische Massenmülltransport von 162.000 Tonnen Siebresten vom Zwischenlager Harrislee zur umstrittenen Deponie Schönberg (Mecklenburg-Vorpommern) wäre vermeidbar gewesen, widerspricht Vahrenholt seinem grünen Kieler Amtskollegen Rainder Steenblock. Denn Hamburg, das bestätigte gestern die Stadtreinigung, habe den Schleswig-Holsteinern im vergangenen Frühjahr „die Kapazitäten angeboten“, die Siebreste zu verbrennen. Doch den Zuschlag erhielten schließlich die Schönberg-Betreiber am 20. Juni 1996, drei Monate nach der Kieler Landtagswahl.

„Schönberg war das mit Abstand günstigste Angebot“, nennt die Abfallwirtschaftsgesellschaft Schleswig-Flensburg unverblümt „das ausschlaggebende Kriterium“. Deshalb habe die Ökologie eine untergeordnete Rolle gespielt. Das Kieler Umweltministerium weist die Vorwürfe zurück: „Wir“, heißt es aus der Pressestelle, „konnten auf den Vertragsabschluß wirklich keinen Einfluß nehmen.“ Abfallentsorgung sei allein Sache der Kreise. Das Umweltministerium als Aufsichtsbehörde habe den Status „frustrierter Zaungäste“.

Weshalb aber der Mitte Juni bereits amtierende grüne Minister Steenblock nicht wenigstens öffentlich – und im Sinne jahrelanger grüner Abfall-Oppositionspolitik – auf den Kreis einwirkte, seine Müll-Entscheidung noch einmal zu überdenken, bleibt sein Geheimnis. Heike Haarhoff