„Kein Geld für Kultur? - Eine schöne Lüge“

■ Die Bezuschussung des Konzerts von Justus Frantz empört die Bremer Kulturszene. Theaterintendant Klaus Pierwoß sagte der taz, warum

Ohne Justus Frantz sieht Finanzsenator Ulrich Nölle nach eigenem Bekunden die Bremer Kultur abgleiten. Unverschämtheit, findet Klaus Pierwoß, Intendant des Bremer Theaters, und fordert vom Finanzsenator eine Entschuldigung.

taz: Die Bezuschussung des Justus-Frantz-Konzertes in Höhe von 175.000 Mark stößt auf heftige Proteste in der Stadt. Was halten Sie davon?

Klaus Pierwoß: Ich sehe mich mal wieder in meiner langjährigen Erfahrung bestätigt, daß die Argumentation, es gebe in Zeiten der knappen Kassen kein Geld für Kultur mehr, eine schöne Lüge ist. Geld ist da, es wird bloß für andere Zwecke ausgegeben. Ich habe nichts dagegen, daß Justus Frantz mit Musikern auf der Galopprennbahn spielt, ich habe auch nichts dagegen, daß Menschen daran Vergnügen haben. Aber ich finde es in höchstem Maße skandalös, wenn eine solche Unternehmung mit 175.000 Mark bezuschußt wird und es jetzt schon eine jahrelange Auseinandersetzung darüber gibt, daß Stellen im Philharmonischen Staatsorchester zu besetzen sind.

Nölle hat gesagt, er habe die Zuschüsse bewilligt, damit die Kultur in Bremen nicht noch weiter hinabgleitet.

Das ist eine schallende Ohrfeige für alle, die hier in Bremen mit Kunst und Kultur zu tun haben. Sie alle werden von Herrn Nölle herabgewürdigt in einer Art und Weise, bei der ich nur sagen kann: Wenn er noch ein Fünkchen Anstand besitzt, dann müßte er sich schleunigst bei diesen Leuten entschuldigen. Was er sich da geleistet hat, ist der Ausrutscher des Jahres 96. Das Leben schreibt immer wieder die schärfsten Satiren. Nölles Begründung für die Frantz-Subventionen führt uns nachhaltig vor, worin sein Kulturverständnis gipfelt; und wer wollte ihm vorwerfen, daß er nach seiner Bewußtseinslage handelt. Gleichzeiutig spielt er sich noch als unser Retter und Notbremser der Kultur auf. Mir würde es völlig reichen, wenn er die Finanzen saniert.

Was hätten Sie mit den 175.000 Mark gemacht? Wo wäre das Geld Ihrer Meinung nach sinnvoller investiert?

Diese Summe ist doch eine hervorragende Ausgangsbasis, um endlich die fehlenden fünf Positionen im Philharmonischen Staatsorchester zu besetzen. Aber egal: Ob man jetzt die Freie Szene, eine Kunstausstellung, ein Konzert oder eine Theater-Institution unterstützt, nach meinem Dafürhalten wäre alles richtiger und sinnvoller gewesen.

Es kommt doch gerade darauf an, die spezifischen Potentiale in Bremen zu unterstützen und sich nicht mit dem für einen Abend ausgeborgten imitathaften Gestus zu schmücken. Justus Frantz verhält sich zu den wirklichen Proms in London wie Caro zu echtem Kaffee.

Halten Sie die Verantwortlichen in der Kulturpolitik überhaupt noch für besserungsfähig?

Unser Verhältnis zu der Kultursenatorin Bringfriede Kahrs entwickelt sich erfreulich positiv, und da ist so ein verbaler Scherbenhaufen von Herrn Nölle geradezu kontraproduktiv. Aber es handelt sich ja nicht um das verkorkste Bewußtsein, das sich am Stammtisch artikuliert, sondern Herr Nölle ist einer der politischen führenden Köpfe in unserer Stadt, und die Äußerungen der führenden Politiker sind nun mal prägend für das kulturelle Klima in Bremen. Und das kann uns nicht gleichgültig sein. Wenn jemand aus einer anderen Stadt, der vielleicht mal nach Bremen wechseln will, liest, was Herr Nölle über unsere Arbeit gesagt hat – was soll der denn von uns halten, wenn uns die führenden Politiker solche Negativ-Etiketten auf die Stirn drücken?

Ich will nicht über das Innenleben der Verantwortlichen spekulieren. Ich gehe da ganz nüchtern vor und halte mich an die formulierten und politisch beschlossenen Realitäten. Das reicht mir eigentlich auch. Ich weiß nicht, wie es in dieser Stadt weitergeht. So jedenfalls nicht. Allein der ganze Entscheidungsprozeß über die Zuschüsse war ja schon symptomatisch. Wir können uns hier oft vergeblich abstrampeln, während Justus Frantz erfolgreich Pferdelotto spielt. Wo ein politischer Wille ist, geht scheinbar alles.

Fragen: Dora Hartmann