„Aufmachen, bitte!“

■ Niederlande: Deutsche Polizisten für deutsche Touristen

Einer der beliebtesten Witze der Holländer lautet: „Wie machen Deutsche eine Auster auf? – Sie bauen sich vor der Muschel auf und befehlen: Aufmachen!“ So ist das eben – deutsche Uniformierte haben auf den gemeinen Niederländer eine ganz spezielle Wirkung( egal ob Soldaten oder Polizisten). Trotzdem ist seit kurzem der deutschprachige Ruf „Polizei! Aufmachen, bitte!“ ganz offiziell in den Niederlanden zu hören; vorgetragen nicht im Grenzgebiet, wo seit Maastricht und Schengen deutsche Polizisten flüchtige Verdächtige fast grenzenlos verfolgen dürfen, sondern tief in den Niederlanden. „Heinz und Michael in Aktion gegen Wildcamper“ amüsiert sich die Amsterdamer Zeitung Trouw und notierte in den Dünen der Provinz Seeland „Aufmachen- Rufe“ der deutschen Ordnungshüter Heinz „Henk“ Giesing und Michael „Berry“ Hülsen. Es handelte sich weder um Austern noch um einen Satirefilm, sondern um mehr oder weniger bitteren Ernst.

Bitter für die Touristen aus vornehmlich deutschsprachigen Landen, die sich bislang mit Sätzen wie „Ich verstehe nichts“ und „Eh, bei uns ist das anders, und darum ...“ aus der Affäre ziehen wollten. „Weniger bitter“ für die niederländischen Ordnungsbehörden, die nun, ohne lange selbst diskutieren zu müssen, durch die amtshelfenden deutschen Kollegen schneller und streßärmer Geldstrafen einstreichen können. Alles ist noch ein Test, der Pfingsten und Ende August stattfand.

Die deutschen Beamten sollen zivil bekleidet, „ohne Hoheitsrechte“ und ohne Waffe sein. Stets mit niederländischen Kollegen zusammen auf Streife, um sich deutschsprachigen Touristen zu widmen. So kam der deutsche Beamte Hülsen, laut Trouw ein „Typ wie ein Kleiderschrank, wie man ihn im ,Tatort‘ auf dem Bildschirm“ sehen könnte, bei einem Ehepaar aus der Schweiz zum Zuge. Das Ehepaar mit vier Kindern hatte in den Dünen wild gezeltet. Der niederländische Beamte versuchte zu erklären, daß das nicht erlaubt ist – zunächst vergeblich. Die Schweizer „verstehen nicht“, dann aber stellt Hülsen sich als deutscher Polizeibeamter vor und erklärt die Lage auf Hochdeutsch. Die Schweizer akzeptierten. Ein Deutscher aus Aachen versuchte es beim niederländischen Polizisten mit der Ausrede, er habe alle Campingplätze abgesucht, sie seien aber alle voll gewesen. Hülsen trat hervor und konterte auf Deutsch: „Dann müssen sie ihre Reisepläne anpassen.“ Die zunächst vorgetragenen Ausflüchte wie „In Deutschland ist das aber erlaubt“ ziehen beim deutschen Beamten natürlich auch nicht. „170 Gulden – für die Königin“, lacht Hülsen. Hülsen ist mit dem Wochenende zufrieden. In ganz Seeland wurden 61 Strafen ausgeteilt, ein großer Teil mit Hilfe der deutschen Kollegen. Hülsen: „Diese Zusammenarbeit paßt gut zum europäischen Gedanken, wir wollen auch so schnell wie möglich niederländische Kollegen im Sauerland haben.“ Das ist nun wieder ein Gebiet, welches bei Niederländern hoch im Kurs steht.

Beide Seiten möchten, daß aus dem Probelauf so schnell wie möglich ein Dauerprojekt wird. Das NRW-Innenministerium in Düsseldorf, welches die weiteren Verhandlungen mit Den Haag führen wird, verhält sich unkompliziert. Wieviel das alles kostet, sei zweitrangig, hieß es aus Düsseldorf, wichtig sei, daß es funktioniere. Und die Niederländer sind sowieso längst davon überzeugt, daß deutsche Polizisten sehr viel mehr zustande bringen können, als Austern das Aufmachen zu befehlen: zum Beispiel auch, von den niederländischen Kollegen lernen. „Auf dem Campingplatz in Renesse waren sicher 30.000 Urlauber – und nur 15 niederländische Polizisten“, staunte Hülsen. Es hatte zahlreiche Prügelein, viele mit deutschen Jugendlichen, gegeben. „Bei uns wären da sicher 80 bis 100 Mann angerückt, die hier lösen viele Probleme einfach nur mit Reden.“ Falk Madeja