Harte Zeiten fördern harte Männer

Wo bleibt die Lust von Frauen in der Politik? Auf ihrer Bundesfrauenkonferenz am Wochenende begaben sich die Bündnisgrünen auf die Suche nach frauenpolitischen Perspektiven  ■ Aus Köln Mechtild Jansen

Der Charme des Neuen ist vorbei. Männer dominieren, Frauen integrieren in der Politik, und die harte Zeit fördert harte Männer. Die Frauenbewegung dagegen zeigt sich differenziert, institutionalisiert oder vereinzelt, und das rotgrüne Projekt ist entzaubert. Auf diese Weise bilanzierte Heide Rühle, Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen, den Stand grüner Frauenpolitik. Sie rief nach „neuen Strategien“, „radikalem Prgamatismus“ für das Projekt der Zivilgesellschaft und Solidarität gegen soziale Ausgrenzung. Vor zehn Jahren hatten die grünen Frauen das „Ende der Bescheidenheit“ proklamiert und das Geschichte machende Frauenstatut verabschiedet. Am vergangenen Wochenende auf ihrer Bundesfrauenkonferenz in Köln waren rund 160 Teilnehmerinnen ganz bescheiden auf der schweren Suche nach neuer Orientierung. „Zukunft. Heute. Und der nächste Schritt ist immer der schwerste“, so lautete das Motto der Veranstaltung, die Teil einer längeren Strategiedebatte über bündnisgrüne Frauenpolitik ist.

Was verbirgt sich noch hinter dem Begriff „Feminismus“? Auf dem Auftaktpodium fragte die ehemalige Fraktionsmitarbeiterin der Grünen, Claudia Pinl, nach dem Gehalt der Theorieansätze aus den letzten Jahren. Die ostdeutsche Wissenschaftlerin Hanna Behrend plädierte für eine Utopie der Entpatriarchalisierung: „Die Situation für Frauen wird sich nur ändern, wenn alles in der Gesellschaft und die weltweite Kapitalverwertungslogik verändert werden.“

Die Soziologin Brigitte Holzer, Fachhochschule Köln, will „Lebensautonomie“ durch „Subsistenzautonomie“ erreichen: „Mütterliche Versorgungsarbeit für das Leben ist der Maßstab, die Politik der Gleichheit ist eine Täuschung.“ Subsistenzproduktion beginne mit der ökologischen Zelle zur Selbstversorgung und der Vernetzung noch vorhandener bäuerlicher Strukturen. Andrea Rödig von der Freien Universität Berlin focht für Judith Butlers „Entsubstantialisierung der Geschlechter“; Geschlecht sei kulturell konstruiert. Deswegen suche sie auch kein neues „Subjekt“ für eine Bewegung. Sie verabschiedet sich von aller Politik, die sich auf fest umrissene Identitäten, ob Frau, Arbeiter oder Behinderte, bezieht. Dann lande Frauenforschung auch nicht im Frauenghetto. Behrends Position fanden die Anwesenden politisch nicht eben greifbar, Holzers mochten sich nur wenige anschließen, und Rödings Position gab nicht viel her gegen Sozialabbau und Gewalt.

In den Diskussionsforen ging es konkreter zu als auf dem Podium. Ethik und Gentechnologien, Demokratie, Frauenmacht und Solidarität, Arbeit, gesellschaftliches Zusammenleben und Globalisierung lauteten die Stichworte der Diskussion. Zum roten Faden wurde die Beschäftigung mit Arbeit im öffentlichen und privaten Bereich. Verständnis, Sinn, Organisation und ideelle wie materielle Bewertung standen zur Debatte. Die Teilnehmerinnen an der grünen Frauenkonferenz kritisierten einhellig den Reichtum von Männern, die Armut von Frauen, die zerstörerische Wirtschaftsweise sowie das neue Leitbild des Ellenbogens. Wünsche zur Neugestaltung reichten von allgemeiner Subsistenzarbeit, Bezahlung für Hausarbeit, Grundsicherung für alle, die pflegerisch tätig sind, Aufhebung geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung, Arbeitszeitverkürzung und Gemeinschaftsarbeit bis zur Professionalisierung aller bislang privaten Arbeiten. Dagmar Richter von der Universität Oldenburg forderte statt diffuser „weiblicher Werte“ reflexive Kritik, inwieweit die historischen Ansprüchen einer Gesellschaft für Frauen eingelöst werden. Sabine Planz von der Evangelischen Akademie Iserlohn pochte darauf, daß Solidarität unter Gleichen stattfindet und patriarchale Strukturen verändert. Gisela Notz wandte sich gegen ein Postulat, das Frauen zu den Produzentinnen des Gemeinsinns macht und sie wieder an ihre traditionellen Orte verweist. Carola Schewe kritisierte, wie die Familie wieder als Modell hochgehalten wird, die als Wirtschaftsgemeinschaft überlebt hat und deren psychologischer Sinn immer schon vorgeschoben war. Mancher Zeitgeist wurde in Frage gestellt, doch es bleib weitgehend akademisch. Von einem politischen Konzept, das die traditionelle Fürsorgearbeit von Frauen ersetzt, war frau weit entfernt. So war Christiane Ziller, grünes Bundesvorstandsmitglied, am Ende immer noch auf der Suche nach der Lust der Frauen in der Politik und nach Perspektiven. Das Podium war für die emanzipierte Gesellschaft. Kerstin Müller, Fraktionssprecherin im Bundestag, fragte jedoch: „Reichen bisherige Instrumentarien der Frauenpolitik in der Krise aus? Die Modernisierung der Arbeitswelt steht bevor. Und ich habe die Sorge, Grüne verschlafen den Generationswechsel.“ Zaghafter Streit entstand an der Frage, wie die Rolle grüner Frauen in Fraktion und Partei zu bewerten sei. Daß deren öffentliches Gesicht nur männlich sei, bestritt Kerstin Müller unter Hinweis auf die kompetenten Frauen in Wirtschafts-, Sozial- und Außenpolitik. Sie verteidigte die Integrationsfunktion von Frauen, da sie der Partei mehr diene als Hahnenkämpfe. Die Debatte über grüne Politik in der Partei aber fand nicht statt.