Bosnien braucht Druck

■ Bosnien-Wahl: Europa darf keine Homelands dulden

Nie zuvor sind demokratische Wahlen unter solchem Zeitdruck und unter solchem militärischen Schutz von außen abgehalten worden. Selten auch ist Wahlberechtigten so brutal die Rückkehr an ihren Wohn- und Wahlort verwehrt worden wie am 14. September 1996 in Bosnien-Herzegowina.

Es ist müßig, nun weiterhin über die von den USA geforderte Eile zu streiten. Die Wahlen werden zwei widersprüchliche Ergebnisse zeigen: Zum einen werden die nationalistischen Parteien, die im Wahlkampf den Krieg rhetorisch fortgeführt haben, gewinnen. Aber andererseits werden überall die kleinen Friedensparteien, die die Wahl zur Überwindung des nationalistischen Terrors nutzen wollten, als Minderheiten in den Parlamenten präsent sein.

Jetzt müssen auch die Nationalisten lernen, den verbalen Krieg zu beenden. Denn wie auch immer das Wahlergebnis en détail ausfallen wird – klar ist, daß die Wahlsieger wenig Spielraum für ihre konkrete Politik haben werden. Denn es ist die Aufgabe der Europäischen Union und der OSZE, den neuen Mehrheiten den Rahmen jeder Politik in Bosnien deutlich zu machen. Erstens: Kriegsverbrecher in Ämtern werden jede Wirtschaftshilfe beenden. Zweitens: Europa wird nicht in Homeland- Verwaltungen investieren, die ethnische Apartheid zum neuen Verfassungsgrundsatz machen wollen. Ohne Minderheitenschutz, ohne die Fähigkeit der neuen zivilen Verwaltungen, den vertriebenen und beraubten Bürgern zu ihrem Recht zu verhelfen, ohne zivile Zusammenarbeit der bis zum Wahltag verfeindeten Parteien wird es keine wirksame Wiederaufbauhilfe von außen geben.

Die Gewählten, in Sarajevo ebenso wie im serbischen Teil Bosniens, müssen jetzt akzeptieren, daß es keine Wiederaufbauhilfe ohne Konditionen geben wird und daß keine Unterstützung ohne Bereitschaft zu erneuten Sanktionen gewährt werden wird. Wer den Haß auf die anderen für seine politischen Ämter mißbraucht, wird keine Hilfe von außen erhalten. Aus der Eile der Wahl muß jetzt die Geduld des zivilen Friedens werden. Auch darum müssen die Ifor-Soldaten noch geraume Zeit dort bleiben. Aber sie müssen klarer und deutlicher wissen, warum. Freimut Duve

Der Autor ist SPD-MdB und Bosnien-Beauftragter des Deutschen Bundestags