Schwierige Aussöhnung

■ Ungarn und Rumänien unterzeichnen heftig umstrittenen Grundlagenvertrag

Berlin (taz) – Nach fast fünfjährigem Gerangel war es gestern endlich soweit: Der rumänische Ministerpräsident, Nicolae Vacaroiu, und sein ungarischer Amtskollege, Gyula Horn, unterzeichneten in der rumänischen Grenzstadt Timisoara den Grundlagenvertrag zwischen beiden Ländern.

Der Vertrag sieht unter anderem die gegenseitige Anerkennung der Grenzen sowie den Verzicht auf territoriale Ansprüche vor. Darüber hinaus enthält er Rechtsgarantien für ethnische Minderheiten. Besonders über den Status der 1,7 Millionen Ungarn in Rumänien war es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Streit zwischen Budapest und Bukarest gekommen.

Die Forderung der ungarischen Regierung, die Empfehlung 1.201 des Europarats über die Gleichstellung von Minderheiten in den Vertrag aufzunehmen, hatte Rumänien stets als Einmischung in die inneren Angelegenheiten abgelehnt. Laut Vertragstext haben die Minderheiten jetzt, gemäß der Empfehlung 1.201, das Recht auf Schulausbildung in der Muttersprache und politische Zusammenschlüsse. Zu wenig, wie der „Demokratische Verband der Ungarn aus Rumänien“ (UDMR) befand. Dessen Sprecher, Anton Niculescu, begrüßte zwar den Vertragsabschluß. Trotzdem gehe der Text nicht über eine Absichtserklärung hinaus. So sei die Sprache in den Behörden weiterhin obligatorisch Rumänisch. Außerdem gebe es in Rumänien keinen Mechanismus, um die Einhaltung des Vertrags zu überprüfen.

Auch die Kirche meldete sich zu Wort. Der Bischof von Oradea, Laszlo Tökes, kritisierte, daß das Dokument keine Regelungen über die Entschädigungen an die Kirchen enthalte. Diese waren 1948 von den rumänischen Kommunisten enteignet worden. Daher müsse der Vertrag nachverhandelt werden.

Bereits in der vergangenen Woche waren die Ultranationalisten in beiden Ländern gegen den Vertrag Sturm gelaufen. Rumäniens Rechte beflasterte Siebenbürgen mit Tausenden von Plakaten und Manifesten, auf denen sie vor einem Zerfall des Landes warnten und den Vertrag als Angriff auf die Integrität des Landes anprangerten. Die „Nationale Einheitspartei der Rumänen“ (PUNR), die sich erst vor zwei Wochen auf Betreiben von Staatspräsident Ion Iliescu aus der Koalition verabschiedet hatte, forderte den Rücktritt des Staatschefs.

In Ungarn demonstrierten mehrere tausend Menschen für die Absetzung Horns, weil er mit dem Vertrag Landesverrat begangen habe. Außerdem kündigten die Organisatoren ein Referendum über eine Entschließung an. Darin soll „die Weltgemeinschaft aufgefordert werden, auf eine friedliche Revision der Grenzen Rumäniens hinzuwirken“. Begründung: Bukarest habe bis jetzt seine Verpflichtung gegenüber seinen ethnischen Minderheiten nicht erfüllt.

Beobachter sehen den Grund für den jetzt doch überraschend schnellen Abschluß allerdings woanders: in Washington, in Paris und in Bonn. Immerhin wird Ungarn seit langem als einer der ersten Beitrittskandidaten zum westlichen Bündnis gehandelt. Und auch Rumänien klopft in der letzten Zeit immer lauter an die Türen von Nato und EU.

Der US-Kongreßabgeordnete, Tom Lantos, beeilte sich denn auch gleich, etwaigen Gerüchten entgegenzutreten. Zumindest die US-Regierung habe in dieser Frage keinerlei Druck auf Ungarn ausgeübt. Außerdem sei die Unterzeichnung des Vertrags keine Vorbedingung für die Aufnahme beider Staaten in EU und Nato. Eine Integration erfordere kein solches Stück Papier. Barbara Oertel

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