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■ SoundcheckGehört: Morcheeba und Tim Fischer

Gehört: Morcheeba. Daß die Gebrüder Godfrey nichts weniger als die kleine Zukunft der großen Rock-Musik vollbringen, konnte man nun wirklich nicht erwarten. Doch Ross, bekifft in sein Gitarrenspiel versunken, und Paul, besäuselt hinterm Mischpult rotierend, gelang es am Dienstag im gut gefüllten Mojo Club, stilsicher einen wattierten, unverwechselbaren Sound zu entwickeln, der alles möglich macht. So ausgerüstet verwandelten sie auf wunderbare Weise selbst Retro-Höllen aus Country und Rock'n'Roll in Aussagen über die 90er Jahre.

Dazu nahmen sie sich etwa ein Stück von Neil Young zur Brust, um es aller totgerockten Konzepte wie Authentizität, Männerschweiß und Verwirklichung im Solo zu entkleiden. Zurück bleibt provozierende Langsamkeit, Kontrolle und alles was vielleicht gut an den 60ern Jahren war: gute Songs und gute Utopien. Gewissermaßen Rock'n'Roll vor seinem Sündenfall in Altamont fortzuschreiben ist das Ansinnen von Morcheeba – was sie auch in ihrem Hit „Trigger Hippie“ äußern. Paradoxerweise erreichen sie das mit den Mitteln des Tanzbodens.

Denn neben der Produktion waren es die unaufgeregte Soul-Sängerin Skye und die technischen Restgeräusche aus dem Sampler, die alte Songstrukturen in ein Zeitloch lockten.

Volker Marquardt

Gehört: Tim Fischer. Kein „Ich stäääh im Regäään und warrrte...“, keine wüsten Gebärden und keine kostümierte Stimme mehr. Tim Fischer präsentiert sich am Dienstag im Schmidt schnörkellos. Ein mokant verzogener Mundwinkel reicht ihm völlig und die eben tief empfundene Sehnsucht ist futsch. Der Boden hat ihn wieder, und beim nächsten Faßbinderlied bleibt er gleich drauf liegen, schlägt die Beine übereinander und singt vom ranzigem Hotelzimmersex, der ihn so unendlich ankotzt. Selbst bei Hollaenders Groschenlied, Fischers Hit, bleibt er angenehm unaufgeregt.

Da mögen auch die Sozialromantiker unter seinen Fans nicht mehr zum tränenwarmen Schunkeln ansetzen. Denn die große, absurde Schuld im kleinen, armen Leben holt Fischer allein aus den hundert Jahre alten Zeilen und nicht aus manierierten Stimmbandkapriolen. Dann noch Verlaine zum 100. Todestag ein Ständchen. Auch hier nur soviel Pathos, daß es sich mit einem Wimpernschlag wieder ins Lakonische kippen läßt. Verhaltener Applaus, keine Zugabe. Das Publikum muß sich erst noch daran gewöhnen, daß der junge Chansonnier nicht länger als Ephebe im Armani-Anzug posieren will, der seine Kehle verstorbener Chanson-Prominenz widmet, sondern sich als souveräner Interpret behauptet, der Fremdes wohldosiert mit eigener Stimme paart. big

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