Schneller forschen

■ Das Produktionstechnische Zentrum an der TU feierte gestern zehnjähriges Jubiläum. Berlins Vorzeige-EntwicklerInnen schaffen Know-how ins Ausland

Für die ForscherInnen des Produktionstechnischen Zentrums (PTZ) in Charlottenburg scheint alles möglich. Für die Industrie entwickeln sie den „Körper-Scanner“. Diese Hightech-Kombination aus Kamera und Computer erfaßt in Sekundenschnelle sämtliche Körpermaße einer Person und entwirft dann maßgeschneiderte Kleidung. Im Auftrag der Polizei arbeitet das Zentrum an einem Sensorsystem, das Fingerabdrücke abtastet und als Türwächter fungieren kann.

Gestern feierte das Produktionstechnische Zentrum, eine der wenigen modernen Forschungseinrichtungen Berlins, sein zehnjähriges Bestehen. Das Doppelinstitut vereinigt das Fraunhoferinstitut für Produktionsanlagen und das Institut für Werkzeugmaschinen der Technischen Universität. PTZ-Chef Professor Günter Spur sieht in dieser Kooperation eine ideale Verbindung, um universitäre Grundlagenforschung mit industrieorientierter Forschung zusammenzuführen.

Das Auftragsvolumen des industrienahen Forschungsinstitutes umfaßte im letzten Jahr 45 Millionen Mark. Der Großteil davon stammt aus der Maschinenbau- und Autoindustrie. Den 500 Beschäftigten des PTZ, darunter 300 studentische MitarbeiterInnen, geht es um die technologische Entwicklung von Produktionsmitteln und die schnellstmögliche Umsetzung in die industrielle Fertigung.

Institutsleiter Günter Spur selbst personifiziert die Verbindung von Forschung und Anwendung. Früher Unternehmer, arbeitet der heute 68jährige seit 1965 als Professor an der TU Berlin und gleichzeitig als Mitglied in vielen Aufsichtsräten von Unternehmen. Ihm eilt der Ruf voraus, jede Menge Drittmittel heranzuschaffen. So steht das Institut für Werkzeugmaschinen bei der Anwerbung von Industriegeld an dritter Stelle innerhalb der gesamten TU. 1995 besorgte Spur immerhin 11,1 Millionen Mark aus der privaten Wirtschaft. Das machte 30 Prozent des Auftragsvolumens aus.

Anläßlich der Jubiläumsfeier, zu der über 300 Gäste, vorwiegend Mittelständler und Wissenschaftskollegen geladen waren, hielt Spur eine Rede mit dem Titel „Die Antwort der Forschungsinstitute auf den industriellen Wandel“. Hinter dem hochtrabenden Titel verbarg sich die These, daß in der schwierigen Zeit der weltweiten Wirtschaftsverflechtung noch mehr technologische Spitzenleistung notwendig ist. Die Verzahnung von Industrie und Forschung müsse noch enger werden. Wenn nötig, schreckte der Professor nicht vor ungewöhnlichen Methoden zurück. Bereits in den 60er Jahren hatte er die Idee, humanistische Wissenschaftszweige in die Ingenieurswissenschaften zu integrieren. Zunächst verhinderte die 68er Bewegung die Realisierung. Doch Ende der 80er Jahre gelang es Spur schließlich, arbeitslose SozialwissenschaftlerInnen in seinem Institut einzustellen, um sie zu industriellen „Fertigungsassistenten“ auszubilden.

Das PTZ hat aber schon bessere Zeiten gesehen. Zu den Boomzeiten des Instituts Ende der 80er Jahre war die Auftragslage besser. Die Wirtschaftskrise geht nicht spurlos an einem Forschungsinstitut vorüber, das von der Wirtschaft lebt. Der neueste und derzeit größte Auftrag ist der eines indonesischen Firmenverbundes. Ziel ist die Produktion eines neuen, rein indonesischen Pkw ab 1998 in Jakarta (jährlich 200.000 Stück). Der Anteil der Aufträge aus dem Ausland steigt und wird nach Einschätzung Spurs noch weiter zunehmen.

„Eine nicht unproblematische Entwicklung“, sagt Klaus Feiten, der Pressesprecher des Institutes. Was er nicht sagt, aber dennoch kein Geheimnis ist: Das PTZ wird zu über einem Drittel über Länder- und Bundesmittel finanziert. Nun fließt mit deutschen Steuergeldern finanziertes Know-how nach Indonesien zur dortigen Produktion von Autos. Davon haben weder deutsche Arbeiter noch hiesige Konsumenten etwas. Tim Köhler