: Spinnen, Weben und Färben ist Frauensache
■ Nach uralten Traditionen produzieren Frauen in Asien wieder kostbare Stoffe
Surren, Schnurren, ein regelmäßiges Klacken und das Plätschern von Wasser erfüllt die Luft des halbüberdachten Innenhofs des Hauses am östlichen Ende der Prajak Road in Nongkhai. Bunte Stoffbahnen, die über dünnen Leinen hängen, werden sanft vom Wind bewegt. An einer Mauer hocken Frauen vor großen Waschtrögen und Schüsseln. Sie färben Fäden, spülen fertige Stoffe und hängen sie zum Trocknen auf.
Im Schatten unter dem Vordach sitzen andere Frauen an Webstühlen. Von rechts nach links und umgekehrt flitzen kleine Weberschiffchen durch ein Fadennetz. Mit einem Holzbalken, den die Weberinnen vor- und zurückbewegen, werden die Fäden aus den Schiffchen aneinandergeschoben und in Form gebracht. Es klackt. Schon nach wenigen Minuten, wenn etliche Weberschiffchen den Fadenkanal passiert haben, wächst auf dem Webstuhl scheinbar nach einer Art Geheimrezeptur ein Stück Stoff.
Matmeestoffe produzieren die Frauen hier in Nongkhais Village Weaver Handicraft Self Help Project. Matmee, das bezeichnet eine jahrhundertealte Art des Färbens von gebündelten Baumwollfäden in Indigoextrakt, das noch heute im Isarn, dem Nordosten Thailands, weit verbreitet ist und im wesentlichen den Charakter der blauen phasins, wie man hier die langen Wickelröcke der Frauen nennt, bestimmt.
1979 wurde der Grundstein für das Frauenselbsthilfeprojekt an der Prajak Road gelegt. Dahinter stand die Absicht, die alte Tradition des Färbens und Webens speziell dieser Region wiederzubeleben und den Frauen von Thailands ärmster Provinz eine sinnvolle und einträgliche Beschäftigung zu ermöglichen.
Heute arbeiten 328 Familien in den Provinzen Nongkhai, Udon Thani, Loei und Khon Kaen in dem Projekt. Zu Hause in ihren Dörfern weben sie die Stoffe, die dann in Nongkhai verarbeitet werden.
Bezahlt werden die Weberinnen nach den Metern, die sie abliefern. Lediglich die 37 Frauen, die in der Fertigung in Nongkhai tätig sind, erhalten einen festen Lohn. Je nach der Tätigkeit, die sie ausüben, bekommen sie zwischen 2.000 und 6.000 Baht, umgerechnet etwa 120 bis 360 Mark. Das entspricht einer durchschnittlichen bis guten Bezahlung gemessen an einem Arbeiterlohn.
Nach einer alten Legende lehrte ein Mann die Frauen das Weben. Sein Name war Khun Borom, und es lag in seiner Macht, den Menschen die Kenntnis von der Landwirtschaft und den handwerklichen Kunstfertigkeiten zu geben.
Die Frauen bestimmte er für die Seidenraupenzucht, den Baumwollanbau sowie das Spinnen, Weben und Färben. Wie Anleitungen zur Wirtschaftlichkeit und Gewinnmaximierung lesen sich Khun Boroms Predigten, in denen seine Geschichte bis heute überlebt hat:
„Eine gute Ehefrau ist wie ein Pflugschar. Wenn sie geschickt im Weben ist, kann ihr Ehemann feine Kleider tragen. Eine Ehefrau, die rauh redet und ungeschickt an ihrem Webstuhl ist, macht eine Familie arm und kleidet sie schäbig.
Messe deine neu gewebten Kleider an dem Können. Zeige sie einer Meisterin, und wenn sie sie lobt, bewahre die Kleider solange, bis du einen fairen Preis bekommen kannst.“
Das Nongkhai-Projekt war das erste seiner Art in Südostasien. Es war und ist das Vorbild verschiedener ähnlicher Projekte im benachbarten Laos, und selbst in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh entsteht gerade ein derartiges Unternehmen. Wert wird allerorts darauf gelegt, daß die Frauen wieder den natürlichen Fertigungsprozeß erlernen, mit Naturfarben zu färben und die Chemie wegzulassen.
Unterschiede bestehen heute nur noch in den Endprodukten, in den Mustern, Figurationen und Farben der Baumwoll- und Seidenstoffe der verschiedenen Länder und Regionen.
Ihre traditionelle Bedeutung haben all diese Formen und Arbeitsregeln nicht verloren. Wenn in Asien all die Weberinnenprojekte funktionieren, dann unter anderem auch deshalb, weil die Kunst des Webens und die Lehren des Buddhismus in ihnen untrennbar miteinander verknüpft sind. Für die Frauen haben die Figurinen der Stoffe eine tief religiöse Bildsymbolik, die ihnen auch heute noch als Ratgeber bei Problemen dienen. Wie zum Beispiel ein Buddha in allen Lebenslagen. Petra Welzel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen