Guatemala auf dem Weg zum Frieden

Nach 35 Jahren Bürgerkrieg unterzeichnen Regierung und Guerilla heute ein entscheidendes Teilabkommen, das die Rolle der Armee in einer demokratischen Gesellschaft klärt  ■ Von Anne Huffschmid

Mexiko-Stadt (taz) – Das Ende des längsten lateinamerikanischen Bürgerkriegs scheint in greifbare Nähe zu rücken. Heute unterschreiben die Kommandanten des guatemaltekischen Guerillaverbands URNG und Präsident Alvaro Arzú in der mexikanischen Hauptstadt das fünfte und letzte substantielle Teilabkommen, das nach 35 Jahren Krieg den Weg zum Frieden in Guatemala ebnen soll.

Sollte das „Abkommen über die Stärkung der zivilen Politik und über die Funktion der Armee in einer demokratischen Gesellschaft“ tatsächlich in die Tat umgesetzt werden, dann würden die guatemaltekischen Streitkräfte binnen eines Jahres um ein Drittel auf 30.000 Soldaten reduziert werden. Gleichzeitig soll ein ziviler Polizeiapparat aufgebaut werden, der die Armee in allen Angelegenheiten der internen und öffentlichen Sicherheit ablösen soll.

Wichtiger als quantitative Fragen, so Kommandant Gaspar Ilóm (siehe Interview), sei ohnehin die qualitative Neudefinition der Sicherheitskräfte: Während die Armee sich künftig ausdrücklich auf die Landesverteidigung beschränken soll, wird die Zivilpolizei erstmals einer demokratischen Ausbildung via Polizeiakademie und Menschenrechtsschulung unterzogen. Außerdem habe sich die Regierung verpflichtet, vom Tag der Unterzeichnung an die Bildung paramilitärischer Gruppen zu unterbinden und bestehende Banden zu eliminieren; auch die berüchtigten „Patrouillien zur zivilen Selbstverteidigung“ (PAC) müssen innerhalb von 30 Tagen nach Vertragsabschluß aufgelöst und demobilisiert werden. Auch zur Entmilitarisierung des zivilen und politischen Lebens sieht das Abkommen eine Reihe von Reformen und Empfehlungen zum Umbau des Justizsystems, den Aufbau eines „legitimierten Parlaments“ und zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung vor.

„Wenn Gott will“, so frohlockte Präsident Arzú kürzlich, dann könne man „schon in wenigen Wochen“ zur Unterzeichnung des definitiven Friedensvertrages schreiten. Tatsächlich werden derzeit überall Wetten abgeschlossen, ob noch dieses Jahr der guatemaltekische Frieden – zumindest auf dem Papier – besiegelt werden kann. Im Lauf des Krieges waren über 100.000 Menschen getötet worden, weitere 40.000 sind „verschwunden“ und eine Million Menschen wurde zu Flucht gezwungen; über 30.000 guatemaltekische Flüchtlinge leben noch heute im benachbarten Mexiko. Mehr als dreißigmal haben sich URNG und Regierung seit 1991 unter UNO-Vermittung in Mexiko-Stadt zu Verhandlungen getroffen, vier Abkommen über die Themenkomplexe Menschenrechte, Flüchtlinge, indigene Rechte und „sozioökonomische Aspekte“ sind in den letzten beiden Jahren unterschrieben worden. Bis auf das Menschenrechtsabkommen werden alle Vereinbarungen erst nach dem Friedensvertrag in Kraft treten. Die allerletzten „operativen“ Schritte bis dahin wären die Vereinbarungen über die Wiedereingliederung der Guerilla ins zivile Leben und über den endgültigen Waffenstillstand, die laut Verhandlungsfahrplan noch dieses Jahr in Madrid und Oslo unterzeichnet werden sollen.

Aber längst nicht alle scheinen einem entmilitarisierten Nachkriegsguatemala mit Freude entgegenzublicken. Erst Anfang dieses Monats zirkulierte im Land wieder eine schwarze Liste der Todesschwadron „Justicia Jaguar“ mit den Namen von 17 PolitikerInnen der oppositionellen Demokratischen Front Neues Guatemala (FDNG), GewerkschafterInnen und MenschenrechtsaktivistInnen. Auch aus dem Umfeld der Regierungsdelegation kommen zuweilen seltsame Einfälle für den weiteren Verlauf des Friedensprozesses: So schlug der Oberst Morris Eugenio de León Gil in der Gegenwart einer mexikanischen Reporterin vor, die URNG solle einen Monat lang bezahlte Anzeigen veröffentlichen, in denen sie beim guatemaltischen Volk für den zugefügten Schaden „um Verzeihung zu bitten“ habe.