Literapurer Wortmittler

Jürgen Abel: Porträt eines Homme de Lettres  ■ Von Thomas Plaichinger

Er ist die stille, nicht graue Eminenz der Literatur in Hamburg, ein Zentralpunkt für die Bewegung des Wortes ins Vorwärts: Jürgen Abel, Herausgeber von Literatur in Hamburg und Mitherausgeber des Hamburger Jahrbuchs für Literatur, dem Hamburger Ziegel.

„Als ich 1987 nach Hamburg kam, gab es zwar eine Literaturszene hier, aber ich denke, daß die hier in der Stadt keine große Rolle spielte. Es hatte zwar – ausgelöst vom Literatrubel und auch vom Literaturlabor – seit den späten 70er Jahren Bewegungen gegeben, in denen versucht wurde, Literatur in einen anderen gesellschaftlichen Kontext zu stellen. Doch dabei hatte man sich relativ weit vom eigentlichen Literarischen entfernt. Das war alles sehr aufgeladen von literarischen Nebenschauplätzen, von politischen und gesellschaftlichen Debatten.“

Als Abel aus dem Süden nach Hamburg kam, war weniger die Literatur sein Antrieb für den Umzug, als vielmehr das Studium: Eher das Verwalten der Literatur als die Literatur selbst. Abel studierte Bibliothekswesen. „Trotz meiner Liebe zu Bibliotheken mußte ich aber feststellen, daß es das nicht war.“ Auch die Entstehung der von Abel mehrere Jahre lang herausgegebenen Literaturzeitschrift Literapur war eher Frucht des Zufalls und des dringenden Gefühls, „daß etwas geschehen müßte. Wir haben Knall auf Fall beschlossen, eine Literaturzeitschrift zu machen, ohne Ahnung davon zu haben.“

In den 80ern sollte die Tragweite des Wortes in den Vordergrund

In der Aufbruchsstimmung der späten 80er Jahre sollte die Literatur in Literapur den Vorrang haben, die Tragweite des Wortes, die Schönheit des Geschriebenen im Vordergrund stehen.

„Damals merkte man, es bewegt sich was. Die 80er Jahre waren ja literarisch ziemlich langweilig, es war eine Zwischenzeit. Mit Literapur war schnell klar, daß ich davon weg wollte.“ Die vorrangig moralische Haltung sollte abgestreift werden. „Allerdings bot sich da natürlich ganz schnell eine andere Attitüde an, nämlich die der künstlerischen Avantgarde, die ja auch mit der Pose des Ästhetentums und was alles daran hängt verbunden ist. Allerdings gehören diese Posen dazu – sie resultieren aus der Schwierigkeit, eine Identität für eine neue Zeit neu formulieren zu müssen.“

„Die Ästhetenpose und alles, was daran hängt, gehört dazu.“

Mit ihren wenigen Ausgaben war Literapur ein überregional wahrgenommener Erfolg – nur nicht finanziell, woran sie schließlich scheiterte.

Zur Literatur gekommen war Abel während seiner Buchhändlerausbildung in einer süddeutschen Kleinstadt, deren Unbewegtheit – trotz seines politischen Engagements – zwangsläufig wirkte: „Man mußte sich da mit sich selbst beschäftigen. Wenn man nur ein bißchen Gespür dafür hat, wird Literatur da unvermeidlich.“

Dabei hat es ihn weniger gereizt, selbst literarisch zu arbeiten. Jürgen Abel wollte sammeln, zusammenfügen, vermitteln. Als vom Literaturreferat bestellter Herausgeber von Literatur in Hamburg, dem unverzichtbarsten Papier Hamburger Literaturverfolger, tut er heute eben dies. Auf seinem Schreibtisch landen die Informationen über alle Veranstaltungen in der Stadt, denen er – in seiner schön strengen, analysierenden Prosa – Form gibt. Und so soll es weitergehen.

Nach der Einstellung von Literapur sammelt und ordnet Jürgen Abel als Mitherausgeber des Hamburger Ziegels Texte zu einem runden Ganzen. Und am liebsten würde er nichts anderes machen, als Literatur herauszugeben und zu vermitteln. Längst hat sich die Situation der Literatur in Hamburg nämlich verändert, verbessert. Aber eben nie genug.