Schreiben und Wohnen

■ Verkauf der Obdachlosenzeitschrift "motz" finanziert 16 Wohnheimplätze. Das bundesweit einmalige Projekt lädt die Öffentlichkeit zur Woche der offenen Tür

Die Hinterhauswohnung des Vereins „motz & Co“ in der Kleinen Hamburger Straße ist gerammelt voll. Um die Mittagszeit findet sich kaum ein freier Sitzplatz, die BewohnerInnen haben sich Essen geholt und machen es sich im Gemeinschaftsraum vor dem Fernseher bequem. Das bundesweit einmalige Obdachlosenprojekt lädt in der kommenden Woche die Öffentlichkeit zur Besichtigung ein.

Das Haus im Bezirk Mitte dient gleichzeitig als Wohnung für ehemalige Obdachlose und als Redaktionsbüro für die Herausgabe der Zeitschrift motz, die auf der Straße und in U- und S-Bahnen verkauft wird. Die Unterkunft wird nicht zuletzt durch die Verkaufserlöse der Zeitschrift finanziert. Damit, so erklärt Vereinsvorsitzender Otto Schickling, sei dies das bundesweit einzige Obdachlosenprojekt, das ohne staatliche Regelförderung auskomme.

Die Zeitschrift motz trägt die Dachzeile „Randständig, abwegig, unbedacht“. Alle zwei Wochen erscheint eine neue Ausgabe. Viele S- und U-BahnnutzerInnen kennen die VerkäuferInnen, die von Station zu Station durch die Abteile unterwegs sind. Lautstark, immer mit einer speziellen Begrüßung der Fahrgäste, preisen sie das Verkaufprinzip der Zeitung an: Eine Mark pro verkauften Blattes geht an die Zeitung oder soziale Projekte, eine Mark dient dem Lebensunterhalt der VerkäuferInnen. Seit über einem Jahr wird die Obdachlosenzeitung motz regelmäßig verkauft.

Die motz war im Juni 1995 aus der Fusion der früheren Obdachlosenzeitschriften mob und haz hervorgegangen. Mit der „zweiwöchentlichen Auflage von 30.000 Exemplaren“ sei sie derzeit Marktführer vor Ort, erklärt Otto Schickling. Der Vertrieb laufe über vier Verteilerstellen. Die Zeitung werde an ihrem Sitz in Mitte, genau wie an den anderen Verteilerstellen am Zoo, am Hauptbahnhof und am Nollendorfplatz, an Obdachlose verkauft, die sie dann weiterverkauften.

Beim Kauf von 30 Exemplaren bekommen die VerkäuferInnen fünf Zeitungen kostenlos. Ungefähr 80 StammverkäuferInnen hat die motz mittlerweile, die auch gleichzeitig Vereinsmitglieder sind. Sie verdienen damit nicht nur ihren Lebensunterhalt, sondern sichern so auch den Fortbestand des Zeitungsprojekts. Immerhin 16 von ihnen haben in der Kleinen Hamburger Straße eine dauerhafte Bleibe gefunden.

Anfangs nur eine Art Notunterkunft, sind die Räumlichkeiten zu einer ständigen Herberge ausgebaut worden. „Wer hier wohnt, kann sich polizeilich melden und beim Sozialamt die Übernahme der Miete beantragen“, berichtet Schickling.

Die beiden anderen Straßenzeitungen Platte und Straßenfeger, die auch Hilfsprojekte starten wollten, hatten darunter zu leiden, daß es bei ihnen Leute gab, die offensichtlich in die eigene Tasche wirtschafteten. Aufgrund gesunkener Absatzzahlen, können beide mit den Einnahmen aus dem Verkauf der Zeitungen gerade mal die weitere Existenz der Zeitung sicherstellen. Die Platte wird inzwischen mit geändertem Konzept von einer neuen Crew herausgegeben. Frank Fölsch

motz & Co e.V., Kleine Hamburger Straße 2, U-Bhf. Rosenthaler Platz, Tel. 2834602, „Tage der offenen Tür“ vom 23. bis 27. September