Industrierevier feiert 75. Geburtstag

■ Kreuzberg wurde 1921 gegründet. Die Jubiläumsausstellung läßt wirtschaftliche Boomzeiten wiederaufleben. Siemens und Sarotti produzierten in diesem Bezirk

Mit einem dreimonatigen Kultur- und Veranstaltungsprogramm feiert der Bezirk Kreuzberg seinen 75. Geburtstag. Zum Auftakt eröffnet Bürgermeister Franz Schulz (Bündnis 90/ Die Grünen) am Sonntag die Ausstellung „made in Kreuzberg“.

Die Präsentation im Kreuzberg Museum am Kottbusser Tor wirft einen umfangreichen Blick auf ein ehemals bedeutsames Industrierevier. Gezeigt werden historische Produkte aus Kreuzberger Handwerks- und Industriebetrieben, darunter der erste Zeigertelegraf von Siemens aus dem Jahre 1850. Nicht nur die Geschichte des heutigen Weltkonzerns begann in den Vierteln rund um das Hallesche Tor. So stellte Sarotti hier einstmals seine Schoko-Leckereien her. Eine alte Reklametafel demonstriert dies im Museum. Ausgestellt sind ein alter Pianoflügel der Firma Bechstein, die noch heute am Moritzplatz beheimatet ist. Zu sehen sind Zigarettenschachteln des Unternehmens Muratti, Schellack-Schallplatten der Carl Lindström A. G. oder auch verschiedene Ausgaben der sozialdemokratischen Zeitung Vorwärts. Die wurde dort gedruckt, wo sich heute der Parkplatz des Springer-Konzerns befindet.

Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte die Industrielle Revolution aus Kreuzberg ein „Exportviertel“ gemacht, die Qualitätsprodukte der zahlreichen Firmen waren über die Grenzen Berlins hinaus gefragt. Der Zweite Weltkrieg und die spätere Insellage der Stadt führten zu einem wirtschaftlichen Niedergang, der durch staatliche Subventionen kaum aufzuhalten war. Einige der noch übriggebliebenen Firmen sind wie Detewe nach der Maueröffnung ins Umland abgewandert.

Der Bezirk begeht jetzt den 75. Jahrestag der Namensgebung. Am 27. September 1921 beschlossen die Bezirksverordneten ihn von „Hallesches Tor“ in „Kreuzberg“ umzubenennen, da das Schinkelsche Nationaldenkmal zur Erinnerung an die Befreiungskriege auf dem 66 Meter hohen Kreuzberg im gleichen Jahr 100 Jahre alt geworden war. Es dauerte aber noch einige Zeit, bis sich die BewohnerInnen dieses neuen Bezirks auch selbst als „Kreuzberger“ bezeichneten. Frank Fölsch

„made in Kreuzberg“ im Kreuzberg Museum, Adalbertstraße 95/96, 22. 9. bis 15. 12. 1996, mittwochs bis sonntags 14–18 Uhr, Eröffnung Sonntag 12 Uhr