Die Kurve muß weiter steigen

Wir haben es geschafft! Die 5.000 Abos sind da, der Überlebenskampf geht weiter. Die taz-Geschäftsführung zieht eine positive Bilanz  ■ Von Karl-Heinz Ruch

Die taz ist vorerst gerettet. Als wir vor drei Monaten unseren Lesern die Vertrauensfrage stellten, schrieben wir: „Diese Zeitung gehört der kritischen Öffentlichkeit.“ Wir wollen uns künftig aber nicht nur an die kritische Öffentlichkeit wenden, wenn die taz gerettet werden muß. So, wie die Öffentlichkeit die taz rettet, wird sie auch eine neue Entwicklung der taz fördern und unterstützen, wenn man sie nur läßt. Für uns heißt das, daß wir uns mehr als bisher mit unseren LeserInnen auseinandersetzen wollen. Die Einmischung der kritischen Öffentlichkeit in Sachen taz ist gewünscht und gefordert.

Ohne Zweifel ist die kritische Öffentlichkeit in der Bundesrepublik in der Lage, der taz zu weit größerem Erfolg zu verhelfen als bislang. Das gilt sowohl für die Auflage als auch für die Ausstattung mit finanziellen Ressourcen. Selbstverständlich hat die taz, wie andere Unternehmen, mit den Schwierigkeiten des Marktes zu kämpfen, doch der Markt für eine überregionale linke Tageszeitung kann immer noch wachsen. Die Verankerung der taz in der Öffentlichkeit war und ist ihre wichtigste Bestandsgarantie.

Drei Aufgaben stehen nach der Vertrauensfrage an:

Die Aboauflage muß gehalten und gesteigert werden. Nach der Abokampagne weist unsere wöchentliche Abostatistik für die kommende Woche 48.500 bezahlte und belieferte Einzelabonnements aus. Mit Ende der Ferienzeit und Beginn des Semesters werden die geringer werdenden Lieferunterbrechungen sich auswirken und die Abonnements bis zum Jahresende auf 50.000 klettern, so hoch wie noch nie in der Geschichte der taz. Es ist das dritte Mal in zehn Jahren, daß die taz die Existenzfrage stellte und damit die Aboauflage entscheidend nach oben riß. Nach solchen Kampagnen gab es aber immer wieder zu lange Phasen, in denen wir ein Abbröckeln der Auflage hingenommen haben. Dieser Fehler soll uns 1997 nicht erneut unterlaufen. Ein ausgeglichener Haushalt für 1997 erfordert eine durchschnittliche Anzahl von 49.000 bezahlten Einzelabonnements. Um dieses Ziel zu erreichen, beginnen wir heute mit einer neuen Abokampagne. Der Kettenbrief, der dieser Ausgabe beiliegt, wird in den nächsten Wochen in einer Auflage von 1,5 Millionen auch anderen Zeitungen und Zeitschriften beiliegen.

Das Anzeigengeschäft muß ausgebaut werden. Die heutige Ausgabe zeigt beispielhaft, wie die taz aussieht, wenn sie sich nicht nur über Einnahmen durch Abonnements, sondern verstärkt auch durch Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft finanzieren will. Die Chancen für einen steigenden Anzeigenumsatz standen in der taz- Geschichte noch nie so gut wie jetzt. (siehe unten)

Eine bessere taz braucht zusätzliches Kapital

Wir müssen zusätzliches Kapital für Verbesserungen der taz aufbringen. Mit einem verbesserten Konzept und stärkerem Profil wollen wir in den nächsten drei Jahren ausreichend Kapital für die taz gewinnen, um eine neue Entwicklung zu finanzieren. Allein in den letzten drei Monaten haben sich taz-LeserInnen mit 700.000 Mark beteiligt. Das läßt auf eine bessere Zukunft hoffen.

Die Kapitalbasis der taz war immer knapp. Zu oft wurden Anlaufkosten oder Investitionen aus laufenden Erlösen finanziert – mit dem Ergebnis wachsender Schulden. Zwar sind die in 18 Jahren aufgehäuften Verluste von 10 Millionen Mark im Vergleich zu den Verlusten anderer überregionaler Zeitungen „peanuts“. Bei unseren schwachen Rücklagen können aber selbst die geringen Schulden zum Stolperstein werden.

In den nächsten drei Jahren will die taz deshalb zusätzliches Kapital akquirieren, damit Entwicklungsprozesse in Gang gesetzt werden können. Die taz wird dabei den Standortvorteil als überregionale Zeitung in und aus der Hauptstadt nutzen. Die Lokalausgaben in Berlin und im hohen Norden müssen stabilisiert werden. Der Markt der taz bleibt aber überregional.

Die meisten taz-Käufer pro Einwohner gibt es nicht in der Hauptstadt, sondern im Unistädtchen Tübingen (6,41 pro tausend Einwohner). 60 Prozent der Gesamtauflage werden in 23 Städten der Bundesrepublik verkauft, in denen zusammen 11,5 Millionen Menschen wohnen. In den drei Städten Berlin, Hamburg und Bremen mit rund fünf Millionen Einwohnern und eigenen Lokalausgaben verkauft die taz ein Drittel ihrer Auflage. Verkaufsschwerpunkte der taz liegen in den Großstädten, insbesondere in den Universitätsstädten und in den drei Städten mit Lokalausgaben.

Die taz ist eine Überregionale aus Berlin

Die Chancen der taz auf dem deutschen Pressemarkt sind nach wie vor gut. Es gibt keine wirkliche Konkurrenz zur taz, so wie es keine wirkliche Konkurrenz zur Bildzeitung gibt. Sie müssen ihre Leser strukturell in ähnlicher Weise bedienen, wenn sie erfolgreich sein wollen. Wer die taz als Alternative zu anderen überregionalen, meinungsbildenden Zeitungen oder als Ergänzung zur Lokalzeitung liest, will auf jeden Fall, daß er in der taz etwas anderes liest. Dieses „andere“ muß eine besondere Qualität haben. In der Vergangenheit hat die taz diese Qualität oft erreicht. In Zukunft müssen wir, mit knappen Mitteln, noch besser werden. Dabei gibt es keinen goldenen Weg.

Auf der bevorstehenden Generalversammlung der taz-Genossenschaft werden wir über Entwicklungsmodelle für die taz streiten und diskutieren. Bei allen unterschiedlichen Meinungen über Finanzierungskonzepte und Beteiligungsmodelle gibt es Einigkeit darüber, zusätzliche Mittel vorwiegend in die Verbesserung der redaktionellen Arbeit und in verstärkte Verkaufsanstrengungen zu investieren. Das besser werdende Produkt taz soll auch immer besser verkauft werden. Redaktion und Verlag, Produktion und Verkauf müssen bei dem Ziel, neue Kunden für die taz zu gewinnen, eng zusammenwirken.