„Keine irdische Gerechtigkeit“

■ Die Seniorentalkshow machte Generalstaatsanwalt Hans Janknecht zu ihrem prominenten Talkgast / “bundesweit für Aufsehen gesorgt“

„Wir haben in Bremen ja keine Lynchjustiz“, mußte Generalstaatsanwalt Hans Janknecht die erhitzten Gemüter im Kaffehaus am Emmasee beruhigen. Janknecht war gestern nachmittag zur 104. Seniorentalkshow geladen, „schließlich haben sie ja wegen der Mediendurchsuchung bundesweit für Aufsehen gesorgt“, so Moderator Jens Schmidtmann. Doch der laute Aufschrei von 150 SeniorInnen war keinesfalls als Protestruf gegen die Mediendurchsuchungen Janknechts gedacht. Vielmehr ging es um den Totschlag-Prozeß gegen Carsten Wolf. Denn der könnte mit einem Freispruch zu Ende gehen, wußte der Generalstaatsanwalt.

„Auch wenn das Gefühl Ihnen sagt: Der wars, darf sich die Justiz nur auf rein rationale Erwägungen verlassen“, wies er seine Mitbürger in die deutsche Justiz ein. Schließlich fehlten Beweise, um Wolf den Totschlag seiner Frau und seiner beiden Kinder nachzuweisen. „Oh, ja, ja“, teilte Janknecht der nach schärferen Gesetzen schreienden Seniorenrunde mit: „Ihre persönliche Überzeugung reicht nicht aus.“ Doch verschärfte Gesetze lehne er kategorisch ab: „Die irdische Gerechtigkeit gibt es nicht. Aber wir bemühen uns darum“. Das aber sollte die Zuschauer nicht ganz beruhigen. Schließlich, so Janknecht, bleiben die meisten Straftaten unerkannt. Und das gelte nicht nur für Mord und Totschlag, „sondern auch für andere Strafsachen.“

Grund genug für den „obersten Ankläger“ (Janknecht) beim Aufklären böser Delikte „auch einige Schranken zu durchbrechen“, so Janknecht. Das schien er den den Senioren dann doch nicht verheimlichen zu wollen und meinte damit die Pressefreiheit, die bei der Durchsuchungsaktion bei Bremer Medien Schaden erlitten hatte. Was denn da so dringlichst gesucht worden sei, wollte eine interessierte Senioren wissen: „Ein Bericht, der sowieso bald öffentlich in der Bürgerschaft behandelt werden würde“, erklärte Janknecht der neugierigen Frau. Mehrmals hatte der Generalstaatsanwalt sein Publikum höflich gefragt, „ob sie denn noch Fragen zu der Durchsuchungaktion haben. Die werde ich natürlich selbstverständlich beantworten.“ Gestützt von Moderator Jens Schmidtmann („Ich stehe hinter Ihnen, wenn ich das mal so sagen darf. Bei den Verbrechen, die täglich geschehen“), ließ sich der Staatsanwalt kaum mehr bremsen und das Publikum dankte ihm: „Richtig, richtig“, nickten die Zuschauer und applaudierten.

Einen Applaus, den der strahlende Generalstaatsanwalt prompt als Zustimmung wertete. Dankbar nahm er das „Urteil des gewöhnlichen Mannes und der gewöhnlichen Frau“ an, mit der Durchsuchung richtig gelegen zu haben. „Dieses Urteil haben nach der Aktion soviele Menschen durch Anrufe bestätigt“, freute sich Janknecht und sei dafür mehr als dankbar – allesamt persönliche Urteile, die laut Generalstaatsanwalt vor dem Gesetz niemals Bestand hätten. kat