Kino, Computer und Nutella

Italiens stellvertretender Regierungschef Walter Veltroni möchte, daß wie im Film die Guten gewinnen und die Bösen eins drauf kriegen  ■ Aus Rom Stefano Menichini

Buonista, Gutmensch – ein Ausdruck, der geradezu für ihn erfunden scheint. Walter Veltroni, 41, Italiens stellvertretender Regierungschef und Kulturminister, ist geradezu der Prototyp des modernen, fortschrittlichen Politikers: gemäßigt, tolerant, beruhigend. Sein Schlüsselsatz, niedergelegt in einem seiner Bücher: „Wäre doch ein gutes Ziel, alles so wie im Film zwischen Gut und Böse ablaufen zu lassen. Wir sollten dafür sorgen, daß wie im Film die Guten gewinnen und die Bösen verlieren.“ Einfache, unmittelbare Konzepte: John Wayne, der Rechten entrissen, als Modell für die Linke.

Veltroni verdankt seinen Aufstieg der Tatsache, daß er genau das Gesicht zeigt, das die italienische Linke derzeit braucht. Fünfzig Jahre lang war ihr, weil von der KP beherrscht, in einem „Frontland“ des Kalten Krieges das Regieren versagt. Heute nun ist die Linke (einschließlich der Neokommunisten) an der Macht, weil sie während der Wahlkampagne im Frühjahr 1996 das alte Image umzukehren vermocht hat. Sie präsentierte sich als Garant der Stabilität gegenüber einer zerstrittenen Rechten.

Daß jemand Veltroni für gefährlich hält, ist in der Tat ausgeschlossen. Herangewachsen ist er in der Ära Berlinguer, als die KPI schon längst nichts mehr mit dem klassischen Kommunismus gemein hatte. Seit jeher galt Veltronis Streben vor allem seiner Selbstdarstellung als moderater, fest in den Westen eingebundener, pragmatischer und doch idealistischer Politiker. Als er Chefredakteur der KP-Parteizeitung L'Unita war, hingen in seinem Büro die Fotos von Berlinguer und John F. Kennedy.

So nahm das Image eines jungen Politikers Gestalt an, der den gleichen Geschmack, die gleichen Vorlieben, die gleichen kulturellen Interessen, die gleichen sportlichen Leidenschaften aller guten jungen Italiener von heute aufweist: Kino, Fußball, Computer. Dazu, gesteht er, kommt bei ihm noch eine mächtige Liebe zu Schokolade. Nutella ißt er am liebsten. Besser geht's nimmer.

Seinen „Buonismo“ hat Veltroni schon in seiner Zeit als Chefredakteur unter Beweis gestellt. Die Zeitung kam durch ihn endlich wieder in schwarze Zahlen – dies aber keineswegs aufgrund einer erfolgreichen politischen Linie, sondern der großen Anzahl junger Autoren und Regisseure wegen, die er zu Mitarbeitern gewann. Dazu entwickelte er auch noch die später von allen Zeitungen und Zeitschriften kopierte Sitte der „zeitungsfremden Beilage“: Musik- und später Videokassetten.

Mit der Beilage großer italienischer und US-amerikanischer Filme traf Veltroni mitten ins Herz der kinonärrischen italiener. Aber er empfahl sich auch einem für Italien erheblichen wirtschaftlichen Sektor. Eine Reihe berühmter italienischer Regisseure, darunter der Oscar-Preisträger Giuseppe Tornatore, warfen sich denn auch für den Wahlkampf Veltronis in die Bütt. Nun erwarten sie vom Kulturminister, daß er ihren Einsatz durch ansehnliche Subventionen lohnt. Bisher kam er übers Symbolische allerdings nicht hinaus, etwa indem er die Präsidentschaft des Filmfestivals von Venedig ausübte. Sein Lieblingsfilm ist aber nach wie vor Kostners „Der Mann der Träume“: die – natürlich – erbauliche Geschichte einer Vater-Sohn-Beziehung.

Ein amerikanischer Traum natürlich. Amerika ist die zweite große Leitlinie, auch wenn Veltroni kein Wort Englisch kann. Was ihn nicht daran hinderte, als erster Exkommunist an einem US-amerikanischen Parteikongreß teilzunehmen – an jener Veranstaltung, die seit jeher seine Vorstellung von einer modernen Partei geprägt hat.

In so eine möchte er das regierungsstützende Konglomerat „Olivenbaum“ auch gern ummodeln. Das allerdings ist der Knackpunkt in seiner Beziehung zum Vorsitzenden der KP-Nachfolgepartei PDS, Massimo D'Alema. Der, mitnichten ein „Buonista“, setzt mehr auf den europäischen Typ der Partei mit einem großen, machtvollen Apparat.

Enttäuscht hat Veltroni bisher vor allem auf einem Gebiet: Laut Wahlkampfprogramm wollte er den Staatsrundfunk aus dem Parteiengezänk herausholen, ihn nicht mehr wie „ein Stück Privatbesitz der Regierung“ behandeln. Doch als er bei seinen Bemühungen, die Privatsender endlich zu deckeln, scheiterte, hievte er aus Rache bei den anstehenden Neubesetzungen der RAI-Spitze ausschließlich Leute seiner politischen Couleur in die Ämter. Für einige Stunden hat er da wohl sein Gutmenschentum außer Kraft gesetzt.

Der Autor ist Redakteur bei „il manifesto“ und Mitarbeiter des 3. Kanals der RAI.