Bühne der Präsentation

■ Eine Ausstellung in der Kunsthalle untersucht „Das Kunstkammerregal“

Gürteltierpanzer und Elfenbeinpokale, Seeschnecken, Muscheln und Kleinbronzen, Totenköpfe und Blumenbilder: In der Kunsthalle ist ein Abglanz alter Wunderkammern wiedererstanden. Wenige Monate vor der Eröffnung des quadratischen Neubaus versichert sich die Kunsthalle des übervollen, historischen Ursprungs der Museen. Den Anlaß bietet das Gemälde „Das Kunstkammeregal“ des Hamburger Malers Georg Hinz.

„Hinz findet gleichfalls unter den berühmten Malern Platz, ist auch in stilligenden Sachen gut und in Hamburg jetziger Zeit sein Lob in voller Blüthe“, heißt es 1675 in der Teutschen Academie des Joachim von Sandrart. Daran ist erstens der Anklang des erst viel später üblichen Wortes Stilleben verblüffend und zweitens die Tatsache, daß man heute über den gelobten Maler fast nichts weiß. Zwar ist der Todestag 30. 11. 1688 bekannt, nicht aber das Geburtsjahr.

Georg Hinz stammte aus Altona und ist spätestens 1663 mit seiner Werkstatt in Hamburg nachweisbar. Über seine Ausbildung und die dazu unternommenen Reisen ist nichts bekannt. Die Beziehungen zu holländischen Malern und zum schleswigschen und dänischen Hof sind nur aus Themenwahl, Malart und im Bild versteckten Huldigungen zu entnehmen. Die Ausstellung läßt dies nachvollziehen und gruppiert um das Hamburger „Kunstkammerregal“ vergleichbare Gemälde des Malers, seines Umfeldes und seiner Vorläufer. Dazu wurden auch, soweit möglich, die dargestellten Objekte ausgeliehen.

Gemalte Objekte werden im Barock in ihrer kontrafaktischen Stillstellung von Welt ganz moralisch immer auch als „memento mori“, als Allegorie auf die Vergänglichkeit, gelesen. Doch auch religiöse Verweise auf die Auferstehungshoffnung sind meist erkennbar. Doch muß man sich den christlichen Kontext nicht unbedingt erschließen. Diese Bilder sind vor allem eine Bühne, auf der sich die Dinge präsentieren. Ist das Erfassen und Aneignen von Welt ein Charakterzug der Renaissance, ist die Bühne der zentrale Ort des Barocks. Die aus dem Mittelalter überkommene Repräsentation, in der jedes Ding auf die göttliche Schöpfung verweist, wird zur Präsentation.

Die Bedeutung einer Sammlung verschiebt sich von der dinglichen Erkenntnis der Welt zur Darstellung des auf die eigene Ordnungslogik und Macht verweisenden Sammlungsaufbaus. So nimmt es nicht wunder, daß viele der Ausstellungsstücke aus hochfürstlichen Schlössern kommen: Gottorf bei Schleswig, Rosenborg in Kopenhagen, Sanssouci in Postdam oder Kromeriz in Mähren.

Ist das Staunen über die Möglichkeiten der Natur und der Reiz des artifiziellen Wettstreites der Künstler in der Imitation von Natur erst verflogen, interessieren über das Einzelobjekt hinaus die Verknüpfungsregeln. Darin liegt die ungewöhnliche Aktualität solcher Bilder: Sie ähneln den Pinnwänden, die der Hamburger Kunstwissenschaftler Aby Warburg für seine Disziplin eingeführt hat, sie sind offensichtlich den populären Setzkästen ähnlich und sind den Computern vergleichbar. Denn auch aktuell stellt sich die Frage, ob der mengenmäßig kaum begrenzte Zugriff auf Daten, über einen demonstrativen Potenzbeweis hinaus sich überhaupt einem Sinn und Zweck fügt. Hajo Schiff

Kunsthalle, bis 1. Dezember