Schwierigkeiten bei der Raumaneignung

■ Übungen in Theorie und Praxis beim 1. Frauen-Sport- und Kulturfestival

Hannover (taz) – Erstmals durften auch Kickerinnen in diesem Jahr olympisch mittun, mehr noch: die deutschen Spielerinnen durften sich sogar blamieren, ohne sich hinterher anhören zu müssen, daß sie ihre Buffer gefälligst wieder an den Nagel zu hängen hätten. Selbst Boxen und damit ultramännliches Terrain dürfen Frauen in deutschen Landen seit Mai 1995 betreten, und auch statistisch scheint fast alles in Butter. Zwischen 40 und 46 Prozent der im Vereins- und Hochschulsport Aktiven sollen heutzutage Frauen sein. Grund genug zum hemmungslosen Abhotten auf dem morgen in Hannover startenden 1. Frauen-Sport- und Kulturfestival? „Keineswegs“, meint Pia Franke (34), Mitarbeiterin am Zentrum für Hochschulsport der Uni Hannover und eine der Organisatorinnen des Festivals, „man muß schon etwas genauer hingucken, um zu sehen, daß im Frauensport qualitativ nicht eben Berge versetzt wurden.“

Genau hingeguckt hat Elisabeth Reis. Die Leiterin des Hochschulsports der Universität Trier wies in einer bisher unveröffentlichten Studie nach, daß der Unisport in Trier zwar einen Frauenanteil von 42,5 Prozent aufweist, jede Frau für ihr Sporttreiben durchschnittlich jedoch nur 19 Quadratmeter benötigt, während ein männlicher Sportler sich im Schnitt auf 37 Quadratmetern austobt. Selbst Studentinnen haben sich also kaum entfernt von den klassischen „Für sie“-Sportarten und drängeln sich vorwiegend platzsparend in Kursen wie Bodystyling, Aerobic oder Jazzgymnastik.

Auch deshalb soll auf dem vom Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband und dem Zentrum für Hochschulsport der Uni Hannover veranstalteten Festival „das vielschichtige Bild der feministischen Sport- und Bewegungskultur“ (Festivalprogramm) präsentiert werden. Von morgen bis Sonntag werden Sportwissenschaftlerinnen – darunter Birgit Palzkill (siehe Interview) –, Pädagoginnen und Referentinnen aus Frauen/Lesben-Sportvereinen und dem traditionellen Vereinssport den 128 Festivalteilnehmerinnen Arbeiten präsentieren, in denen es nicht nur um Körperkult und Fitneßwahn gehen wird, sondern unter anderem auch um die „Weiblichkeit“ des Tanzes, die Situation von Frauen in asiatischen Kampfkünsten, die Beziehung zwischen Trainer und Athletin und um das Verhältnis zwischen Lesben und „Heteras“ nicht nur im Sport.

Ergänzt werden die 16 Diskussionsforen durch 20 Workshops, in denen auch praktisch demonstriert wird, was Feministinnen aus Aikido, Capoeira oder Fußball zu machen verstehen. Was genau das ist? „Spannend an dem auf dem Festival präsentierten Fußballworkshop ist beispielsweise, wie die Schwierigkeiten, die Frauen gemeinhin mit direktem Zweikampf oder Raumaneignung haben, im Konzept berücksichtigt werden“, erläutert Pia Franke.

Komplettiert wird das Festival durch ein kulturelles Rahmenprogramm und eine Rugbybegegnung. Das Match der Hannoveranerinnen gegen die deutschen Vizemeisterinnen aus Heidelberg ist zudem die einzige Veranstaltung innerhalb des Frauensport- Events, auf der auch die Anwesenheit von Männern gestattet ist. Claudia Thomsen