"Zeichen gegen Lohndumping"

■ EU-Entsenderichtlinie verabschiedet: Arbeit nach Regeln des Gastlandes. Mindestlöhne in Deutschland nur befristet?

Brüssel (dpa) – Nach fünfjähriger Diskussion haben die Arbeits- und Sozialminister der Europäischen Union am Dienstag die europäische Entsenderichtlinie endgültig verabschiedet. Danach müssen Arbeitnehmer, die von einem Unternehmen in ein anderes EU- Mitgliedsland entsandt werden, zu den Arbeitsbedingungen des Gastlandes beschäftigt werden. Dazu gehören Mindestlöhne sowie Urlaubs- und Arbeitsschutzvorschriften. Unternehmen aus Drittländern dürfen diese Regelung nicht unterlaufen. Die 15 EU-Mitgliedstaaten haben drei Jahre Zeit, die Regelung in nationales Recht umzusetzen.

„Nach fünf Jahren langwieriger Verhandlungen haben wir es geschafft, nun auch europaweit ein deutliches Zeichen gegen Lohndumping zu setzen“, erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, Horst Günther, zum Abschluß des Treffens in Brüssel. Die Einhaltung der Arbeitsbedingungen am Arbeitsort sei eine wesentliche Voraussetzung für fairen Wettbewerb. Gleichzeitig appellierte Günther an die deutschen Bautarifpartner, bei ihrem nächsten Treffen zu einer Einigung über die Mindestlöhne zu kommen. Sie sollten die EU-Richtlinie als „positives Signal“ aufgreifen.

Nachdem das Europäische Parlament der Richtlinie zugestimmt hatte, konnten die Minister diese ohne erneute Diskussion verabschieden. Großbritannien und Portugal sind gegen die Regelung, müssen sie aber umsetzen. In Deutschland gibt es bereits ein Entsendegesetz, das vor allem für den Baubereich gilt. Der erste Versuch, Mindestlöhne auf deutschen Baustellen auch für ausländische Arbeitskräfte festzulegen, war Ende Mai an der Ablehnung der Arbeitgebervertreter gescheitert. Am 8. Oktober trifft sich der Tarifausschuß in Bonn, um einen neuen Anlauf zu unternehmen.

Das Präsidium der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) kam deswegen gestern in Köln zusammen, um die Haltung des Verbands zum Mindestlohn am Bau festzulegen. Ein BDA-Sprecher sagte nach Beginn der Sitzung, es sei nicht abzusehen, wie lange das Gremium für seine Entscheidung benötigen würde. Der BDA will laut internen Kreisen einen Kompromiß erreichen: Die Tarifparteien im Baugewerbe sollten dazu bewegt werden, die Mindestlohnregelung zum 31. Mai kommenden Jahres enden zu lassen.

Bei ihrem Treffen in Brüssel beschlossen die Minister außerdem, die seit 1990 geltende Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer vor krebserregenden Stoffen zu verschärfen. Erstmals wird ein Grenzwert für Benzol festgelegt, der in zwei Stufen erreicht werden soll. Vor allem für Beschäftigte der erdölverarbeitenden Industrie ist dies von Bedeutung. Auf deutsche Initiative sollen künftig auch die besonders gefährlichen erbgutverändernden Stoffe in die Richtlinie aufgenommen werden. Die EU- Kommission muß bis Ende 1997 einen Vorschlag vorlegen. Damit könnten die beiden gefährlichsten Stoffklassen künftig gleich behandelt und die Beschäftigten optimal geschützt werden, hieß es.