piwik no script img

Gaudibursch statt Politik

■ "Live aus dem Schlachthof" probiert es mal mit Gemütlichkeit. 20.15 Uhr, BR

Jugend und Bayerischer Rundfunk, das paßt wie die Faust aufs Auge. Um so bemerkenswerter, daß sich „Live aus dem Alabama“ seit 1984 als kritisches, bisweilen sogar aufmüpfiges Jugendmagazin halten konnte. Gerüchteweise hieß es nun, der BR wolle eine heilige Kuh schlachten und die Sendung aus dem Programm nehmen. Doch trotz Umzug ins Schlachthofviertel – die Kuh bleibt. Auf dem attraktiveren Sendeplatz um 20.15 Uhr (bisher 19 Uhr) wolle man weiterhin eine „coole Sendung“ machen, sagt der verantwortliche Redakteur Wolfgang Mezger. Und das heiße: frech sein, anecken, sich mit Autoritäten anlegen. Ein hehres Anliegen, das aber in der Vergangenheit öfter mal ausgehebelt wurde. So z.B. zur letzten Bundestagswahl, in deren Vorfeld eine Diskussion zwischen PDS-PolitikerInnen und Vertretern der Jungen Union stattfinden sollte. Weil die Verantwortlichen des Bayrischen Rundfunks befürchteten, Sahra Wagenknecht könne den Jungwählern als allzu rethorisch gewandte Reinkarnation Rosa Luxemburgs erscheinen, wurde die Sendung kurzerhand aus dem Programm gekippt.

Überhaupt scheinen die Zeiten, als noch über Politik geredet wurde und auch mal Autonome mitstreiten durften, endgültig vorbei zu seien. Symbol für das neue unpolitische Image der Sendung sind derzeit kursierende BR-Flyer mit Slogans wie „Kann denn Schlachthof Sünde sein?“ oder „Schau mir in die Sendung, Kleines!“ (Kleines was? Kleines Arschloch?). Und auch der niederbayerische Punk „Schwammerl“, der jetzt als regelmäßiger Gast möglichst schräge Kommentare liefern soll, kommt ein wenig einfallslos daher. Heute z.B. macht sich Schwammerl auf den Weg nach Bayreuth, um sich statt Sex Pistols einmal Wagner reinzuziehen. Die prickelnde Frage dabei lautet, ob der Punk die heiligen Kulturhallen überhaupt betreten darf. Weiteres Thema der heutigen Sendung: „50 Jahre Lucky Luke – eine Comic-Figur wird Legende.“

Der Grund für den Neustart hat auch beim BR nicht mehr als fünf Buchstaben: Quote. „Uns sind die Zuschauer weggelaufen“, klagt Mezger. Das soll sich mit den neuen Moderatorinnen Anna Bosch (23) und Sandra Limoncini (26) sowie dem altbewährten Christoph Bauer (26) ändern. Und das Studio im „Wirtshaus im Schlachthof“, schwärmt Mezger, sei viel gemütlicher als die technoide Alabamahalle. Kein Wunder also, wenn es sich beim ersten musikalischen Gast um den „schrägen“ Kleinkünstler und Gaudibursch Georg Ringsgwandl handelt. Gemütlichkeit – das hat den Jugendlichen in Bayern gerade noch gefehlt. Wolfgang Farkas

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen