Kinder, Hunde und Männer willkommen

■ Die „Gorleben-Frauen“ sind eine der ältesten Gruppen im Wendland. Mit phantasievollen Aktionen haben sie der Bewegung immer wieder Impulse gegeben

taz: Die „Gorleben-Frauen“ gibt es fast so lange wie den Widerstand. Wie hat das angefangen?

Lilo Wollny: Eigentlich ist die Gruppe ein Zufallsprodukt. Wir Frauen aus der BI wollten uns irgendwann mal ohne Männer treffen. Das hatte weiter nichts zu bedeuten, wir wollten einfach mal zusammen Kaffee trinken und uns ausquatschen. Bei der Gelegenheit ist gleich irgendeine Aktion geboren worden, und so ist das weitergegangen. Die wichtigsten Aktionen hier haben eigentlich immer die Gorleben-Frauen angezettelt. Der Name rührt daher, daß wir damals, als die ersten Bäume für die erste Tiefbohrung abgeholzt wurden, ein öffentliches Picknick organisiert haben. Wir gaben eine Anzeige in der Lokalzeitung auf, da stand unter anderem drin: Zieht euch warm an, denn es kann lange werden, und Kinder, Hunde und Männer dürfen mitgebracht werden. Die Zeitung rief an und sagte, unter der Anzeige müßte ein Name stehen. Mir fiel nichts anderes ein als „Die Gorleben-Frauen“, und dabei ist es geblieben.

Gab es Konflikte innerhalb der Gruppe?

Die Geschichte mit den Männern kam das erste Mal auf, als wir Ostern 1980 ein riesiges internationales Frauentreffen mit 3.000 Teilnehmerinnen organisierten. Für uns war es selbstverständlich, mit Männern zusammenzuarbeiten. Bei diesem Treffen aber wollten wir den Spieß einmal umdrehen, die Frauen sollten nach vorne gehen in die Öffentlichkeit, und die Männer sollten im Hintergrund die Arbeit machen. In unserer Naivität hatten wir gedacht, wenn wir zu einem Treffen in Gorleben einladen, dann kommen auch Frauen, die wissen, was los ist, und sich dafür interessieren. Aber dann kamen plötzlich diese Feministinnen, die überhaupt nicht wußten, um was es hier geht, die nur gelesen hatten, da gibt es ein internationales Frauentreffen. Und plötzlich knallten die Gegensätze aufeinander. Eine Forderung lautete, daß bei den Kursen und Veranstaltungen kein Mann zugegen sein darf: „Was sollen die Schwänze hier, wir dachten, das sei ein Frauentreffen.“ Wir waren völlig von den Socken.

Haben die kontroversen Vorstellungen von Emanzipation zu dauerhaften Brüchen geführt?

Eigenartigerweise nicht, denn in diesem Fall haben sich die unterschiedlichen Positionen sogar gegenseitig befruchtet. Wir haben ein bißchen über Emanzipation gelernt, und viele Frauengruppen haben uns später geschrieben, sie hätten begriffen, daß sie sich um mehr kümmern müßten als um ihre ganz speziellen Frauenprobleme. Aber mit den jungen Frauen, die dann öfter in unserer Gruppe auftauchten und mitmachen wollten, hatten wir Schwierigkeiten. Wir waren an unser mehr oder weniger gemütliches Beisammensein gewöhnt, und da kamen plötzlich diese studierten Frauen aus der Stadt und meinten, das sei alles nicht effektiv, das müßte alles besser strukturiert werden. Aber das war nicht unser Arbeitsstil, uns so haben sich immer mehr von den alten Frauen zurückgezogen. Aber die Gorleben- Frauen gibt es immer noch, und gelegentlich sind wir bei ihren Aktionen auch dabei. Es ist nicht so, daß wir uns entzweit haben. Aber wir sind jetzt die Alten und haben unsere Ini 60. Das hat auch seine Vorteile. Interview: Ulrike Helwerth

Kontakt Gorleben-Frauen: Gitty Henschke, Tel. 05864-8070,

Fax: 05864-8071 oder BI Lüchow- Dannenberg, Tel. 05841-4684