Rhein bleibt sauer über die Hüls AG

Chemiefirma leitete noch in diesem Jahr Salzsäure in den Fluß. Die Dioxinbelastungen von Altlasten auf dem Werksgelände und in der Nachbarstadt stehen auf Rekordniveau  ■ Aus Rheinfelden Christian Litz

Nach wie vor ist der Rhein nicht sicher vor den Einleitungen der Hüls AG in Rheinfelden an der deutsch-schweizerischen Grenze. Wie jetzt bekannt wurde, ereignete sich der letzte Zwischenfall am 9. Juli dieses Jahres, als nach einem Störfall Hunderte von Kubikmetern Löschwasser samt Salzsäure vom Werksgelände in den Fluß liefen. Das Gewerbeaufsichtsamt in Freiburg bestätigte den Vorfall. Auch sonst gibt es bei den Abwässern „mit dem ph-Wert manchmal ein Problem“ bei der Tochterfirma des Veba-Konzerns, wie ein Behördenmitarbeiter zum Stern sagte. Im Klartext: Aus den Chemierohren der Hüls läuft schon mal stärker saure oder basische Brühe, als für die Fische gut ist.

Letzte Woche hatte die Hüls AG zugegeben, daß sie bis 1994 jahrelang illegal Gift in den Rhein entsorgt hatte. Ihr blieb auch nichts anderes übrig, hatte die Staatsanwaltschaft doch einen entsprechenden Bericht des Stern bestätigt. Seither jedoch, so die Darstelung des Werkes, werde nichts Unerlaubtes mehr abgelassen: „Rheinfelden ist heute ein sanierter Standort.“ Das irritiert Albert Schelb vom Regierungspräsidium: „Rheinfelden ist keineswegs saniert. Vielleicht trifft es ja für den Hüls-Produktionsstandort zu.“

Wahrscheinlich nicht: Denn die Hüls AG hat auf ihrem Werksgelände laut einem Ermittlungsbericht der Polizei „AOX- und lösemittelhaltiges Erdreich“ vergraben. AOX sind organische Halogenverbindungen. Eine Mischung, in der Dioxin und andere krebserregende Stoffe sind. Es bestehe „der Verdacht der umweltgefährdenden Abfallbeseitigung“, ein Verstoß gegen Paragraph 326 Strafgesetzbuch.

Der Hintergrund: 1991 verbot das Landratsamt Lörrach der Hüls AG, ihre verseuchte Erde auf der Sondermülldeponie Karsau zu entsorgen. Begründung: zu giftig. Also ließ die Hüls-Werksleitung die kontaminierte Erde auf dem Firmengelände vergraben. Werksleiter Friedrich Morich sagt, er sehe da kein Problem: „Die Behörden haben uns auferlegt, wir durften kein verunreinigtes Material vom Werk bringen.“ Also wurde auf dem Werksgelände abgelagert. „Dieses ist den Behörden bekannt.“ Warum es im Ermittlungsbericht auftauche, verstehe er nicht.

Rheinfelden ist noch keine 75 Jahre alt und schon ein einziger Sanierungsfall. Zuerst war hier Industrie, dann kamen in den 30er Jahren die Wohnhäuser. Baugruben wurden mit Erde aus dem IG-Farben-Werk aufgefüllt, Dioxin wurde beim Wohnungsbau mit verbuddelt. In Baden-Württemberg gilt Boden mit mehr als fünf Nanogramm (milliardstel Gramm) Dioxin pro Kilo offiziell als belastet. Es gibt in Rheinfelden viele Flächen mit 20 bis 100 Nanogramm pro Kilo, die werden nicht saniert. Selbst Grundstücke mit mehr Dioxin sind in Rheinfelden nicht sanierungswürdig, schließlich wurden hier schon 3,8 Millionen Nanogramm gemessen. Ein absoluter Weltrekord, 10.000mal mehr, als in Seveso festgestellt wurde.