Wo Sitex ist, ist Leerstand drin

Die Firma Sitex schützt geräumte und leerstehende Häuser mit Stahlgittern. Leerstandsinitiativen und Besetzer bedanken sich auf ihre Weise  ■ Von Gereon Asmuth

Die Räumungen durch Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) kurbeln zunehmend die Berliner Wirtschaft an. Die Kassen der Obdachlosenunterkünfte klingeln kräftig. Und noch eine weitere Branche reibt sich nach jeder Räumung dann „exbesetzter“ Häuser die Hände. „Vandalismus, Hausbesetzung und Brandstiftung bei leerstehenden Immobilien nehmen rapide zu“, warnt die Firma Sitex und konnte sich dank reger Nachfrage nach ihren Sicherheitsfenstern und -türen inzwischen mit einer Filiale in Berlin etablieren.

„Wohn- und Gewerberaum kann schnell und problemlos wiederverwertet werden“, preist sich die Sitex als schneller Leerstandsverwerter an. Vor zwei Jahren waren die Räumungsprofiteure ehrlicher. Auf den damals noch in Blitzaktionen aus Holland herangekarrten Lieferwagen stand deutlich, worum es ging: „Leerstandssicherung“. Und zwar dauerhaft, wie viele schon seit Jahren vergitterte Altbauten belegen. Dumm nur, wenn Sicherheitsgarant Sitex nicht zur Tat schreiten kann, weil der Hauseigentümer unbekannt ist. Vorgestern fragte Sitex daher in der taz-Redaktion nach der Eigentümeradresse der frischgeräumten und nun ungeschützten Häuser in der Linienstraße. Leider konnten wir nicht helfen. So wird es noch dauern, bis die Immobilienverwerter Thies und Launicke auf der Sitex-Referenzliste auftauchen.

In dieser Liste würden die beiden, deren Privaträumung der Linienstraße im Sommer 95 erst durch Gerichtsbeschluß rückgängig gemacht wurde, auf weitere Bruchspezialisten treffen, die Stahlschutz zu würdigen wissen. So machte sich Michael Stober im Oktober 1993 einen Namen, als er mit einem mit Kettensägen bewaffneten und illegalen Räumtrupp die denkmalgeschützten Türen der besetzten Kastanienallee 77 zu Kleinholz verarbeitete. Bei Stahltüren wäre das sicher nicht passiert.

Bevor sich ein Leerstandsspekulant für die laut Branchenkennern nicht ganz billigen Sitex-Platten entscheidet, sollte er sich jedoch bei anderen Referenzfirmen kundig machen. So mußte die „Hennig von Harlessem“ über eine Brandstiftung in ihrer frischgeräumten Marchstraße 23 klagen, die der Sitexsicherung auf dem Fuße folgte. Und die Wohnungsbaugesellschaft im Prenzlauer Berg (WiP) könnte von den Bewohnern der Fehrbelliner Straße 5 berichten. Die wollten sich mit ihrer Räumung im Sommer 95 nicht abfinden. Sie hebelten die Sitextüren, die laut Eigenwerbung „ihre Zuverlässigkeit überall in Europa unter Beweis gestellt“ haben, problemlos wieder aus.

Die Zuverlässigkeit zu schätzen wußten hingegen einige Jungpunks im April. Aus Protest gegen Schönbohms Räumungen hatten sie die sitexvergitterte Kastanienallee 71 besetzt. Die hilflose Polizei mußte drei Stunden draußen auf den Schlüsseldienst warten. Drinnen konnte sie dann nur noch zwei Kerzen auspusten. Die Besetzer waren längst entfleucht.

Richtig freuen können sich auch die Anti-Leerstand-Initiativen, die in mühevoller Kleinarbeit leerstehende Häuser mit Pinsel oder Plakaten kennzeichneten, dank schneller Gegenstreichkünste der Hauseigentümer meist nur mit mäßigem Erfolg. Jetzt dagegen weiß gleich jeder Passant, wo Sitex dran ist, ist Leerstand drin.