Juhu! Bayern hat verloren!

■ Werder siegt gegen Bayern München 3:0 Von Gastautor Stefan Pulss, Hansawelle

Ein Spiel ist mehr als ein Spiel. Auch wenn Dieter Eilts es anschließend eilig hatte, das Gegenteil zu behaupten und das Engagement seiner Truppe nur auf die Niederlage in Duisburg zurückführte. Es waren Rechnungen zu begleichen, und sie sind beglichen worden. Andreas Herzog ließ mit zwei Treffern und einer großartigen Leistung endgültig seine Münchner Zeit hinter sich, die ihm außer etlichen Deutschmark und deutlich verbreiterten Schultern wenig eingebracht hat. Auch Bruno Labbadia hat seine Erfahrungen in München machen müssen; weil es bei ihm länger her ist, bekam er von der höheren Gerechtigkeit nur ein Tor zugeteilt. Andree Wiedener schließlich hatte Gelegenheit, Mario Basler in die Schranken zu weisen. Den Mario Basler, der ihn im letzten Jahr als Prototyp eines Unfußballers charakterisiert hatte. Und auch Wiedener hat seine Chance genutzt.

Sobald Basler (Stadionsprecher Christian Günther: „Brühwurst“) über die Mittellinie kam, war Wiedener bei ihm, Abstand immer höchstens ein Meter. Und wenn Basler angespielt wurde (Publikum: Pfiffe), hatte er kaum Gelegenheit zu einer sinnvollen Aktion. Und dann wohl auch bald keine rechte Lust mehr.

Werder hatte Lust, von der ersten Minute an. Die erste Chance gab es in der 1., die nächste in der 4. Minute. Kahn hielt noch (Publikum: „Uh-Uh-Uh“, erste Bananen wurden hochgehalten). Überhaupt nichts zu halten gab es dann bei Herzogs Elfmeter in der 23. Minute. Kahn machte auch keine Anstalten, Herzog durchzuschütteln, das macht man wohl nur mit Spielern der eigenen Mannschaft (Publikum: „Es steht ein Affe im Tor, der ist so eklig“).

Nach der Führung ging es weiter wie zuvor. Werder blieb überlegen, Bayern hatte erst in der 36. Minute die zweite nennenswerte Torgelegenheit (Publikum: „Ohne Herzog habt ihr keine Chance“). Das – nicht gegebene – Traumtor von Marco Bode, per Fallrückzieher, war die logische Konsequenz des Spielverlaufs (Publikum: „Valencia olé“). Die zweite Halbzeit begann ohne Basler und Klinsmann, beide waren wirklich richtig schlecht, und mit dem 2:0 für Werder nach einer wunderschönen Kombination von Bode, Labbadia und Herzog. Kurz danach gab es zwar einen kleinen Durchhänger, das Abspiel aus der Werder-Abwehr klappte nicht mehr richtig, die Mannschaft wirkte kurzzeitig müde. Aber auch das war nach zehn Minuten wieder vorbei, und die Bayern waren ohnehin an diesem Tag nicht in der Lage, irgend etwas Vernünftiges daraus zu machen (Publikum: „Ziege in den Zoo“).

In der 70. Minute durfte Labbadia auch noch mal, das ebenso kluge wie überraschende Anspiel kam von Schulz, der gerade auf dem Weg ist, sich zum Jimmy Connors der Bundesliga zu entwicklen. Dann ging Herzog, umjubelt, und für ihn kam Cardoso. Auch er hätte noch sein Tor machen können, wie hätten wir es ihm gegönnt. Aber ach, es sollte nicht so sein. Aber sonst: Die Aufstellung vom Sonnabend könnte Zukunft haben. Pfeiffenberger scheint als Manndecker seinen Platz gefunden zu haben. Brand ist manchmal etwas zu mutig, aber eine gute Besetzung auf der rechten Außenbahn und Bode macht sich im Sturm weiterhin gut. Eine interessante, taktische Variante: Todt spielte verhältnismäßig offensiv, dadurch ergab sich ein wirkungsvoller Doppel-Eilts-Effekt. Magic-Dieter selbst fing zehn Meter vor dem eigenen Strafraum alles ab, was sich bewegte, wie immer meist in der Waagerechten. Und Todt tat dasselbe zwanzig Meter weiter vorne, auch wenn er sich dabei noch eine Reihe von Abspielfehlern leistete.

Ein Spiel ist mehr als ein Spiel. Am Fußball läßt sich der Zustand einer Gesellschaft erkennen (Wer's nicht glaubt, soll nochmal in „Bananenrepublik und Gurkentruppe“ nachlesen). Werder gegen Bayern, das ist auch Kollektiv gegen Konkurrenz, Wenigergeld gegen Mehrgeld, Eilts gegen Scholl. Noch hat der ungehemmte Kapitalismus nicht gesiegt. Jetzt noch ein Sieg in der Rückrunde, in München, am Ende vielleicht ein Tabellenplatz vor den Bayern, dann wäre es an der Zeit, über den anstehenden Paradigmenwechsel nachzudenken, über das Zeitalter des Wassermanns oder was weiß ich.

Stefan Pulss, Moderator der Hansa-Welle